Der Teufel Von Muenster
Barbiers würde es so leicht nicht vorangehen, befürchtete der Kripo-Mann aus Münster.
»Ja, in Ordnung, gehen wir rein«, sagte Haller. Im Moment waren die Spusi-Leute am Tatort, da störte er ohnehin nur. Und wenn diese Leute hier den ganzen Tag nicht viel mehr zu tun hatten, als ihr Gemüse zu beobachten, dann wussten sie ja vielleicht auch ganz gut über die Verhältnisse in der Nachbarschaft Bescheid und konnten womöglich wertvolle Hinweise geben.
»Sie können grünen Tee haben«, sagte die Frau.
»Danke.«
»Danke ja oder nein?«
»Danke ja.«
Was soll’s, dachte Haller. Schließlich war grüner Tee ja dafür bekannt, dass er magenfreundlich sein sollte, auch wenn er schmeckte wie gekochtes Gras und sein Geruch Haller immer an eine Scheune voller Heu nach einem Sommerregen erinnerte, wobei die Scheune allerdings kein Dach hatte und auf diese Weise alles nass geworden war.
Haller folgte den beiden.
Jobst Fleischer stellte seine Hacke neben der Tür ab. Es gab keine Klingel, nur ein Namensschild. Jobst Fleischer und Ruth Störicke-Fleischer.
Jobst Fleischer führte ihn zu einem rustikalen Tisch in der Mitte des Eingangsraumes. Dort bekam er wenig später den versprochenen grünen Tee in einer Tasse beziehungsweise ihrem selbst getöpferten Äquivalent.
»Ja, das ist wirklich tragisch, was mit Nadine passiert ist«, sagte Ruth Störicke-Fleischer nach einem Schluck von ihrem Tee und einem tiefen Seufzer.
»Sie kannten die Tote gut?«, fragte Haller.
»Wie man es nimmt. Sie ist vor einigen Jahren hierhergezogen. Das Haus gehörte ihrer Großtante Wilhelmine. Die hatte selbst keine Kinder oder noch andere Angehörige. Und Nadine hat das Haus mit der Auflage gekriegt, die alte Dame zu pflegen. Sie liegt inzwischen auf dem Friedhof, an dem Sie sicher auch vorbeigekommen sind.«
»Nadine ist – war – ja Krankenschwester«, ergänzte Jobst. »Ich glaube, früher hat sie in Lengerich in der Psychiatrie gearbeitet, aber das war ihr wohl auf die Dauer einfach seelisch zu belastend.«
Letzteres konnte Jobst Fleischer offenbar gut verstehen, denn in den nächsten Sätzen erfuhr Haller dann in Kurzform die Lebensgeschichte der beiden. Beide Lehrer, beide schließlich aus dem Dienst gegangen, weil sie sich diesem Stress und dem andauernden Druck nicht mehr aussetzen wollten und ein Leben ohne Zwänge zu führen versuchten. Jobst sprach, und seine klaren, vieles zusammenfassenden Sätze verrieten dabei den ehemaligen Lehrer, der es wohl gar nicht so schlecht verstanden haben musste, komplizierte Dinge auf eine Weise zusammenzufassen, dass auch begriffsstutzige Pennäler und Polizisten sie schnell zu verstehen vermochten.
»Mich interessieren eigentlich mehr die Beobachtungen, die Sie gestern Abend und heute früh gemacht haben.«
»Es ist immer noch früh am Morgen«, erinnerte Jobst den Kommissar, der daraufhin ein Gähnen unterdrücken musste. Dieser Drang schien psychosomatischer Natur zu sein. Wenn ihn jemand daran erinnerte, dass er normalerweise vielleicht gerade mit dem Zähneputzen begonnen hätte, dann wünschte er sich einfach noch mal zurück ins Bett. Zumal die Wendung, die der Fall des Barbiers genommen hatte, alle bisherigen Ermittlungsergebnisse wieder massiv in Frage stellte. Wenn es sich bei dem Mörder von Nadine Schmalstieg tatsächlich um denselben Täter handelte, der auch Jennifer Heinze getötet hatte, dann konnte das unmöglich der inhaftierte Jürgen Tornhöven sein.
Andererseits waren die Spuren in Richtung der sogenannten Neuen Templer so eindeutig, dass man sie nicht ignorieren konnte.
»Nadine hatte gestern einen ziemlich heftigen Streit mit ihrem Freund«, sagte jetzt Ruth Störicke-Fleischer. »Timothy heißt er. Nadine hat mir mal von ihm erzählt.«
»Du hast sie ausgefragt«, korrigierte Jobst.
»Ja, wenn so ein seltsamer Typ mit langem Ledermantel hier herumläuft, der aussieht, als käme er irgendwie aus einem schlechten Film, dann wird man ja wohl mal fragen dürfen. Außerdem hatte er seinen Wagen so geparkt, dass man kaum raussetzen konnte. Also zumindest ich nicht.«
»Heißt dieser Timothy zufällig Winkelströter?«, fragte Haller.
»Ja, jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wieder ein«, bestätigte Ruth. »Und er fährt einen dicken Geländewagen.«
»Die Nummer habe ich mir übrigens aufgeschrieben, weil er ja unsere Ausfahrt zugeparkt hatte«, sagte Jobst. »Ich meine, zu dem Zeitpunkt war da zwar gerade eine Baustelle vor Nadines Haus, sodass er dort
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