Der Teufel Von Muenster
überwog ihre Neugier. Sie hatte das Gefühl, dass Branagorn auf diese Weise eine besondere Verbindung zu ihr herzustellen versuchte und etwas sagen wollte. Etwas, was auch für sie von großer Bedeutung sein mochte. Undeutlich stiegen die Erinnerungen an ihren ersten Alptraum vom Traumhenker wieder in ihr auf, aber dann schalt sie sich eine Närrin. Müdigkeit und persönliche Verstrickung in einen Fall, das war wirklich keine gute Kombination, dachte sie. Es wurde in ihrem Fall höchste Zeit für die Supervision durch einen unbeteiligten Kollegen. Im Moment allerdings ging es erst einmal darum, einem Mörder auf die Spur zu kommen. Na ja, dachte sie, irgendeine Ausrede hat jeder.
»Wir müssen noch einmal zu diesem Haus in der Nordwalder Straße, in dem Sarah Aufderhaar lebt. Dort kommt dieses Haar her. Ich hoffe, dass die Alchemisten bereits jenes untersucht haben, das ich in Telgte fand.«
»Nun …«
Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? Wenn Haller das Haar von der Planwiese vielleicht auch nicht einfach in den Müll geworfen hatte, so war auf der anderen Seite auch nicht anzunehmen, dass sich wirklich jemand dieses Beweisstücks annahm. Und was dieses Haar anging, sah Anna kaum bessere Chancen.
»Ich weiß, dass mich niemand ernst nimmt, und ich weiß auch, dass die Gefahr, die den nächsten Opfern droht, die Hüter der Ordnung aus irgendeinem mir nicht nachvollziehbaren Grund trotzdem nicht dazu veranlasst, mir zu glauben, obwohl ich sicher bin, der Mörderseele näher auf der Spur zu sein als jeder andere.«
»Branagorn, ich weiß nicht, ob Sie wirklich …«
»Nein, hört mir zu, Cherenwen, hört mir zu und erfüllt mir diese eine Bitte, um die ich niemals bei Euch anfragen würde, wenn es nicht wirklich dringlich wäre. Fahrt mit mir zu diesem Haus, wenn Ihr hier abkömmlich seid! Ich habe Euch ja meinen Ärger, der mir dort widerfuhr, über das sprechende Artefakt kurz geschildert. Wenn ich dort ein zweites Mal auftauchte, müsste ich erneut damit rechnen, unlauterer Absicht verdächtigt zu werden. Aber Ihr könntet Euch dort umsehen und mir Eure Augen und Euren Mund leihen, Cherenwen … Würdet Ihr das tun?«
»Ich weiß nicht …«
»Bitte! Wenn Ihr es nicht meinetwegen zu tun bereit seid, dann zumindest um der zukünftigen Opfer willen!«
Anna seufzte. Dieser Patient drohte ihr noch den letzten Nerv zu rauben. Andererseits beunruhigte sie die Tatsache, dass dieser unbekannte Mörder noch weiter sein grausiges Spiel fortsetzen könnte, ebenfalls immer mehr. Seit er sogar Stoff ihrer Alpträume geworden war, hatte dieser Aspekt noch einmal eine neue Qualität bekommen. Die Jagd nach dem Barbier war für Anna inzwischen zu einer sehr persönlichen Angelegenheit geworden. Und auch wenn sie sich hundertmal sagte, dass das eigentlich niemals hätte passieren dürfen, so war es inzwischen nun einmal eine Tatsache, die sie nicht mehr leugnen konnte.
»Also gut« versicherte sie. »Ich fahre mit Ihnen dorthin. Das verspreche ich Ihnen.«
»Danke. Und falls die Hüter der Ordnung doch noch einen Grund finden, mich festzuhalten, so …«
»… werde ich dieses Haus allein aufsuchen.«
In diesem Moment kehrte Polizeikommissar Meyer zu Gentrup zurück. Er hatte eine kleine, transparente Plastiktüte in der Hand, wie sie verwendet wurde, um Spuren zu sichern. »Hat einen Moment gedauert, aber die Kollegen sind sehr im Stress«, sagte er.
»Das macht nichts«, antwortete Anna.
Meyer zu Gentrup ließ Branagorn das Haar in das geöffnete Plastiktütchen tun. Es war dem Elbenkrieger anzusehen, wie ungern er diesen Beweis abgab. Fast so, als würde es sich um eines seiner magischen Artefakte handeln, überlegte Anna. Aber vielleicht misstraute er auch einfach nur der Polizei und glaubte nicht, dass dieses Haar jemals einem Labor zugeführt werden würde.
»Es gibt übrigens noch einen wichtigen Zeugen, der vielleicht Beobachtungen gemacht hat, die helfen könnten, den Fall aufzuklären«, ergänzte Branagorn.
»Was ist das für ein Zeuge?«, fragte Meyer zu Gentrup.
»Es ist der werte Klaus. Ich habe mit ihm zusammen auf dem Friedhof genächtigt. Er pflegt mit einem Handwagen durch die Lande zu ziehen, der offenbar seinen gesamten Besitz trägt, und war früher ein Maschinenmagier.«
»Wie bitte?«
»Ich glaube, irgendwann in den letzten zweihundert Jahren hat man angefangen, so etwas einen Ingenieur zu nennen.«
Meyer zu Gentrup grinste breit und schob sich seine dicke und ziemlich schwere Brille
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