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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Sie wissen. Wie Sie dabei empfunden haben.«
    »In der einzigen Art, in der ein Mann empfinden sollte, wenn es um tote Kinder geht«, erwiderte ich kalt.
    »Ich verstehe Sie ja. Nun möchte ich aber, dass auch Sie verstehen, wie verwundbar unsere Organisation ist. Würden Sie nach Ihren Erfahrungen als Streifenpolizist sagen, Polizisten seien allgemein beliebt?«
    Widerstrebend schüttelte ich den Kopf. Auf jeden Mann, der dankbar war für unsere Wachsamkeit, kam ein anderer, der uns beschimpfte, der für die Freiheit auf den Straßen eintrat und den Geist der Revolution beschwor.
    »Harper’s Police war völlig unfähig«, fuhr Matsell fort, »und das war auch der Grund, warum sie gescheitert ist. Nicht etwa, weil diese Stadt nicht im tiefsten Innern wüsste, dass wir eine Polizei brauchen, die für die Einhaltung der Gesetze sorgt, sondern weil die New Yorker Bürger inkompetente Leute einfach zum Frühstück verspeisen, und weil unsere kriminelle Bevölkerung ihre Argumente in der Sprache des Patriotismus formuliert. Ich bin nicht inkompetent, Mr. Wilde, aber ich befinde mich in einer unmöglichen Lage: Es ist extrem schwierig, ein Verbrechen aufzuklären, das der Vergangenheit angehört. Nahezu unmöglich. Es vergeht ein Tag, eine Woche, und schon sind sämtliche Spuren, die der Täter vielleicht hinterlassen hat, verschwunden. Hier haben wir es mit einer Verbrechensserie von solchen Ausmaßen zu tun, dass es die Stadt vollkommen erschüttern, ja vielleicht sogar die Wählerbasis der ganzen Demokratischen Partei in Gefahr bringen könnte, und sollte es uns nicht gelingen, der Öffentlichkeit eine Aufklärung dieser Morde zu liefern, solltenwir uns als so unfähig erweisen wie diese Schlappschwänze in blauen Mänteln, die wir abgelöst haben, würde mich ein Wahlsieg der Whigs und im Folgenden die Auflösung der Polizei nicht im Geringsten überraschen. Denn die lassen ihr Geld lieber in die Banken und die Industrie fließen.«
    »Sie denken an nichts als Ihre verfluchte Partei«, zischte ich.
    »Von ihr haben auch Sie schließlich Ihren Posten erhalten, oder etwa nicht?«
    »Das ist nicht gerade eine Ehre. Jeder Ganove, der einen Knüppel schwingen kann, ist Ihnen gut genug.«
    George Washington Matsell legte mit einem Stirnrunzeln die Fingerspitzen aneinander. »Wir wissen beide, dass das nicht ganz stimmt. Für Polizisten gilt dasselbe wie für alle Menschen, es gibt solche und solche. Manche wollen auf den Straßen für Ordnung sorgen, wieder andere versuchen, sich über ihren Stern einen Vorteil zu verschaffen. Ich bin der Erste, der einräumt, dass es unter meinen Männern so manchen Ganoven gibt, doch das lässt sich, aus Rücksicht auf die Partei, nicht ändern. Ich denke, es ist besser, wir dulden ein paar nützliche Gauner unter unseren Männern, als völlig auf die Einrichtung eines Polizeikommissariats zu verzichten. Wir haben also Taugenichtse und ehrbare Leute unter unseren Streifenpolizisten – und dann haben wir Sie.«
    »Und was bin ich?«, sagte ich und versuchte gar nicht erst, den Zorn in meiner Miene zu verbergen. Es fühlte sich an, als sei er für alle Zeiten dort eingeätzt.
    »Die anderen sind damit beschäftigt, Verbrechen zu verhindern. Die Streifenpolizisten und auch die Captains. Aber Verbrechen vorzubeugen ist etwas anderes, als Verbrechen aufzuklären , nachdem sie bereits begangen wurden. Und ich denke, hier kommen Sie ins Spiel, Mr. Wilde. Zur Aufklärung von Verbrechen ist nicht jeder imstande, müssen Sie wissen. Aber, bei Gott, Sie können es. Lösen Sie das Rätsel, und dann erstatten Sie mir Bericht darüber, und zwar mir allein.«
    »Von welchem Rätsel sprechen Sie?«
    Er breitete wohlwollend die Hände aus. »Was meinen Sie wohl?«
    Ich warf einen Blick auf Matsells Landkarte, meine Gedanken schossen funkelnd in alle Richtungen wie Klingen in einer Messerstecherei. Ich starrte auf den Punkt, wo die Stadt endete, wo die Kinder unter den wortlosen Bäumen verscharrt worden waren. Ich wollte wissen, wie sie dorthingekommen waren, und zwar mit einer solchen Dringlichkeit, wie ich sie kaum je für etwas anderes empfunden hatte. Das lag zum Teil an Bird und an den anderen Kindern, aber der eigentliche Grund war noch einfacher. Barkeeper zu sein, das ist eine Linie im Staub, die sich endlos wiederholt, es ist immer und immer wieder dasselbe, mit Tagträumen vom eigenen Fährboot und einem Stück Land auf Staten Island, damit man es überhaupt ertragen kann. Man betreibt

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