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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Gedächtnis- und Kombinationsspielchen, die den eigenen gesunden Menschenverstand erfordern, und die können einen wach und interessiert genug machen, dass man auch Geld verdient, aber ganz gleich, welche richtigen Schlussfolgerungen man über einen seiner Kunden gezogen hat, eine Stunde, nachdem man den Laden abgeschlossen hat, ist er schon vergessen, und der nächste Tag löscht, was am Vortag gespeichert wurde. Diesmal jedoch hatte ich ein wirkliches Ziel: Ich wollte einen Berg erklimmen und den Gipfel mit eigenen Augen sehen – ich musste die Wahrheit herausfinden.
    Und auch der Polizeichef brannte offenbar darauf, das Rätsel zu lösen. Trotz der Demokraten.
    »Da gibt es in der Tat eines, das mir im Kopf herumgeht.«
    »Dann täten Sie gut daran, das hier zu behalten«, schlug er vor und gab mir meinen Kupferstern zurück, was ihm ohne jede Selbstgefälligkeit gelang.
    »Sie haben mich nur deshalb zum Streifegehen zurückbeordert, weil Sie sehen wollten, wie ich darauf reagiere?«
    »Das Ergebnis war noch weitaus erhellender, als ich erwartet hatte.«
    Ich steckte den Stern wieder an mein Revers. Und fühlte mich damit viel besser. »Ich brauche ein bisschen Geld«, sagte ich. »Ich werde es nur zu einem ehrlichen Zweck verwenden, mein Wort. Ich muss die Zeitungsjungen auf meine Seite ziehen.«
    »Auch das ist sehr klug von Ihnen. Geld können Sie von Ihrem Bruder bekommen. Er wird morgen bei der Versammlung des Komitees die Spendenbüchse der Partei dabeihaben, das Geld ist noch nicht im Kassenbuch verzeichnet. Sprechen Sie außer mit Captain Wilde mit niemandem über diese Sache, allenfalls noch mit Mr. Piest, falls Sie einen zusätzlichen Verbündeten brauchen. Der Mann, der diesen Brief geschrieben hat, ist ein Verrückter. Es gibt keine toten Kinder, es hat nie welche gegeben. Verstehen Sie mich? Und falls einer unserer Polizisten hinter dieser unsäglichen Schweinerei mit dem Brief steckt, dann reiß ich ihm den Arsch auf. Bevor Sie gehen: Schreiben Sie doch bitte einen Bericht über dieses Pulverfass, dessen Explosion Sie heute Nachmittag verhindert haben.«
    »Viel Glück mit Ihrem Lexikon«, sagte ich entschuldigend von der Tür aus und tippte an meinen Hut. »Das ist wirklich eine sehr nützliche Idee.«
    »Es ist die nützlichste Idee, die ich je hatte, bis ich auf den Gedanken verfiel, einen bestimmten Polizeibeamten darauf anzusetzen, ein bestimmtes Verbrechen aufzuklären«, erwiderte er gleichmütig. »Jetzt gehen Sie, Mr. Wilde. Und kein Wort zu irgendwem.«
    *
    Ich verfasste also meinen Bericht. In aller Deutlichkeit schrieb ich: »Angriff mit Tötungsabsicht«, »Todesdrohungen«, »Trunkenheit sowie Störung der öffentlichen Ordnung« und so weiter und so fort, bis das Wort Steckrübe durchbuchstabiert war. Dann ging ich, da ich noch nicht die nötigen Gelder beisammen hatte, um die Zeitungsjungen bestechen zu können, und weil ich dringend mit Bird sprechen wollte, nach Hause in die ElizabethStreet, die Krempe meines Hutes heruntergezogen als Schutz vor den scharfen Speeren der Sonne.
    Etwa zwanzig Meter vor meinem Haus erwartete mich eine Überraschung.
    Eine sehr feine Kutsche, wie sie niemals vor Mrs. Boehms Bäckerei anhalten würde, wartete vor meiner Eingangstür. Schlamm von der Straße verunzierte ein wenig den eleganten schwarzen Anstrich.
    Ich blieb stehen, um sie mir genauer anzuschauen. Der Schwarze auf dem Kutschbock hatte mich nicht gesehen, denn er wandte mir den schweißgetränkten Rücken zu. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, reckte den Hals und lugte ins Innere des Wagens. Ich hätte vielleicht eine Arzttasche erwartet – Peter Palsgrave, der uns wie durch Zauberei zu Hilfe eilte. Oder einen Zeitungsmagnaten, der eine gute Story aus mir herauskitzeln wollte und auf dem Kutschsitz die Notizen für die Ausgabe des folgenden Tages hatte liegen lassen.
    Stattdessen sah ich gar nichts. Aber in den Gestank der Straße und den Geruch des heißen Lederpolsters mischte sich ein Hauch von Veilchenduft und stieg mir träge in die Nase. Mir wurde eiskalt, ich fuhr herum und rannte in die Bäckerei.
    Keine Mrs. Boehm weit und breit. Auch keine Bird. Meine Muskeln waren plötzlich gespannt wie Drahtseile. Denn dort am Arbeitstisch saß Silkie Marsh, engelhaft lächelnd, ihre Seele eine leere Stelle, und nippte an einer Tasse kalt gewordenem Tee. Sie duftete nach Veilchen und trug das entzückendste Grün, das man sich nur denken kann.
    »Entschuldigen Sie, dass ich so

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