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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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erklärte das Matsells beiläufige, doch höchst beharrliche Art, sich auf etwas zu konzentrieren. Einige Titel auf seinem Bücherregal erkannte ich wieder, und sie bestätigten die Gerüchte. Er las tatsächlich radikale Bürgerrechtlerund Texte von Frauen. Die Südwand war der Politik gewidmet: eine Flagge, ein Porträt des Gründervaters George Washington, seines Namensvetters, ein ausgestopfter Adler mit ausgebreiteten Flügeln, das Siegel der Demokraten. Ich war so in meine Betrachtung vertieft, dass ich, als er mich ansprach, beinahe vor Schreck vom Stuhl gefallen wäre.
    »Die polizeiliche Ermittlung im Fall der neunzehn Leichenfunde ist abgeschlossen, Mr. Wilde.«
    Ich spürte einen giftigen Geschmack auf der Zunge und stand auf. »Was?«
    »Durch den Artikel von heute Morgen wird unsere Position unhaltbar. Es hat keine toten Kinder gegeben. Es gibt keine toten Kinder. Sie sind wieder Streifenpolizist des Sechsten Bezirks, Mr. Wilde, und bitte seien Sie von nun an pünktlich.«
    Ich konnte es nicht glauben, es dröhnte in meinem Schädel, als werde gleich neben meinem Ohr eine Kirchenglocke geläutet. Nein , dachte ich nur, und dann: Und ich habe ihn noch in Schutz genommen , ich habe gesagt, es würde nicht so kommen. Nein. Ich war so schockiert, es war scheußlich, es muss scheußlich ausgesehen haben, wie ich so dastand – ich mit meinem dreiviertel Gesicht und all den Anstrengungen, die hinter mir lagen, und all den Dingen, von denen er überhaupt nichts wusste. Die Zeitungsausrufer, die zahllosen Menschen, mit denen ich gesprochen hatte, Bird, die in Mrs. Boehms Haus lebte. Er saß einfach da und schrieb weiter. Ich fühlte mich wie ein Straßenköter, dem man ein Stück frisches Fleisch gegeben und den man dann mit Hieben aus der Metzgerei getrieben hat.
    »Hier«, sagte ich und nahm den Kupferstern ab. Ich legte ihn auf seinen Schreibtisch und ging zur Tür.
    »Warten Sie.«
    »Ich habe den Bürgern dieser Stadt gesagt, dass wir besser sind als das. Sie haben mich gerade zum Lügner gestempelt, also ...«
    »Mr. Wilde, setzen Sie sich .«
    Seine Stimme war leise, aber so nachdrücklich wie ein Pistolenschuss.Dann blickte Matsell zu mir auf und zog eine Braue in die Höhe. Ich weiß nicht, warum, aber ich setzte mich. Dieser große, elefantenartige Mann, dessen Falten wie die Gleise einer Eisenbahn seine Hängebacken durchzogen, hatte mir etwas zu sagen, nahm ich an. Je nachdem, was das war, würde ich gegebenenfalls ein paar gewählte Worte erwidern.
    »Mir ist etwas klar geworden, Mr. Wilde.« George Washington Matsell legte seine Feder bedachtsam neben sein Schreibpapier. »Sie werden überrascht sein. Wissen Sie, was ich hier gerade schreibe?«
    »Wie sollte ich?«
    Wieder dieses angedeutete Lächeln, das sogleich von einem Windhauch in Richtung Battery davongeweht wurde.
    »Ich schreibe an einem Diktionär. Wissen Sie, was das ist?«
    »Ein Wörterbuch«, entgegnete ich barsch. »Ich habe gerade einen Mann vor dem Feuertod am Pfahl gerettet, und dass das nötig wurde, lag nur daran, dass man den Brief eines Verrückten publiziert hat, um den Tod von zwanzig Kindern auszuschlachten, die nun niemals gerächt werden. Und jetzt ist Ihnen daran gelegen, mir mitzuteilen, dass Sie an einem Wörterbuch arbeiten.«
    Jetzt lächelte Polizeichef Matsell wirklich. »In einer Großstadt gibt es alle Arten von Menschen. Leider sind diejenigen, die am wenigsten Respekt vor Recht und Ordnung haben, auch jene, die eine ganz ureigene, besondere Sprache entwickelt haben, deren Ursprünge sich im Nebel der britischen Geschichte verlieren. Was Sie hier vor sich sehen, ist der Anfang eines Flash-Lexikons. Eines Lexikons der Gaunersprache, wenn Sie so wollen.«
    »Meine Hilfe werden Sie dazu nicht brauchen, schließlich haben Sie selbst gründliche Kenntnis von allen möglichen Schurkereien.«
    Er lachte. Ich betrachtete mir seine Schrift. Sie war klar, ein wenig arrogant und stand auf dem Kopf. Was für eine herrliche Idee, die Sprache des Verbrechens festzuhalten, dachte ich widerWillen. Aber wozu sollte es gut sein, dass man Flash beherrschte, wenn die tatsächliche Aufklärung eines Verbrechens sich dann nicht mit den Zielen der Demokraten vereinbaren ließ?
    »Bei dem Lexikon brauche ich Ihre Hilfe nicht, Mr. Wilde. Nein, ich möchte, dass Sie Ihre gesamte Zeit einer ganz anderen Angelegenheit widmen. Jetzt, da ich weiß, welch starke Gefühle Sie in dieser Angelegenheit hegen. Ich habe mich das gefragt, müssen

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