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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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bei Bedarf im Herald anschauen, allerdings nur in der Schriftsatzversion, und das half mir nicht weiter, wenn ich die äußeren Merkmale untersuchen wollte.
    Ich versuchte mich zu erinnern. Die beiden ersten Briefe enthielten viele Rechtschreibfehler, vielleicht war das Absicht. Dieser hier war zwar genauso verrückt, aber sehr gut formuliert. Die anderen waren in einer großen, deutlich lesbaren, klobigen Schrift verfasst, wie ein Anfänger sie verwenden würde, so dass keine Persönlichkeit und kein Charakter erkennbar war – vielleicht weil der Verfasser zu Besserem nicht imstande war. Vielleicht wollte er aber auch nur seine Schrift verstellen. Dieser Brief hier war von einer gebildeten Person geschrieben worden, aber mit einer so zitternden Hand, dass er streckenweise kaum lesbar war. Als sei der Verfasser über seine eigenen Worte erschrocken. Vielleicht stand er unter dem Einfluss von Alkohol oder Rauschgift und scheute vor dem bösen Gift in manchen seiner Sätze selbst zurück. Außerdem waren die anderen verdächtig fröhlich gewesen, irgendwie melodramatisch, so dass ich den Verdacht hatte, sie seien sensationslüsterner Unsinn. Es sogar hoffte , wie ich mir jetzt eingestand. Zum Wohl der Stadt, zum Wohl der Iren, zum Wohl der Polizisten, vielleicht sogar zum Wohl von Vals verfluchter Demokratischer Partei. Aber hier sah ich Furcht, keine hämische Freude, und die Furcht klang echt.
    »Ich nehme nicht an, dass die Handschrift Ihnen bekannt vorkommt?«, wagte ich den Doktor zu fragen.
    »Sie ist ja kaum lesbar , Sie Dummkopf, außerdem, weshalb sollte sie das?«
    »Diese Person kennt offensichtlich Ihre Arbeit.«
    »Jeder kennt meine Arbeit!«, schrie der seltsame kleine Mann. »Das ist ja der Grund, warum dieses ... dieses infame Schreiben an mich adressiert wurde. Ich bin der einzige Arzt in dieser Stadt,der ausschließlich Kinder behandelt, der einzige , ich – leg das sofort wieder hin!«, donnerte er, und die Haut um seinen silbernen Backenbart färbte sich vor Zorn grellrosa.
    Bird ließ ein unheimliches Messer fallen, an dem ein paar Kräuterreste klebten. Mit betretener Miene faltete sie die Hände, diesmal vor dem Körper.
    »Ich werde mich nicht schneiden, versprochen.«
    »Oh Gott. Danke«, hauchte er. »Das hielte ich für überaus segensreich.«
    »Werden Sie in die Tombs gehen und die Leichen untersuchen?«, fragte ich. »Gehen Sie zu Matsell, er wird Sie persönlich hinführen. Sie dürfen sonst mit niemandem darüber reden.«
    »Ich gehe sogleich.«
    »Darf ich das behalten?«
    »Mr. Wilde«, zischte er, »wenn ich dieses Stück Dreck nie wieder sehe, werde ich mein Leben in Zufriedenheit beenden. Schaffen Sie das aus meinem Haus. Und jetzt komm, Kind, marsch, marsch. Mr. Wilde, Sie werden mich nicht begleiten?«
    »Ich muss meine Ermittlung weiterführen«, erklärte ich, als wir das Gebäude verließen. »Wenn’s Ihnen recht ist, komme ich heute Abend noch einmal bei Ihnen vorbei. Um zu erfahren, was Sie herausgefunden haben.«
    »Wenn es sein muss – und das muss es wohl, nicht wahr?«, seufzte er. »Nun denn, adieu.«
    »Auf Wiedersehen, Dr. Palsgrave«, sagte Bird.
    »Was will sie nur? Ah!«, Dr. Palsgrave schnaufte zärtlich, dann zog er ein eingewickeltes Bonbon aus der Tasche und hielt es Bird hin. »Kindchen. So beängstigende Geschöpfe, wirklich! Einen schönen Tag wünsche ich.«
    »Dieser Mann ist verrückt«, bemerkte ich, als der Gentleman, stocksteif, als habe er einen Besenstiel verschluckt, dastand und mit seinem bizarren Taschentuch nach einer Droschke winkte.
    »Reif für die Rappelwinde«, stimmte Bird mir zu, als sie das Bonbon auswickelte. »Er ist großartig, nicht wahr, Mr. Wilde?« Ihr Gesicht bewölkte sich, als sie mich ansah. »Ist der Brief, denSie da haben, von ... von dem Mann mit der schwarzen Kapuze?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich und drehte mich weg, um meinerseits eine Kutsche herbeizuwinken. »Aber ich werde es herausfinden, und wenn es meine letzte Tat sein sollte.«
    In der Mott Street in der Nähe des Five-Points-Viertels hat man das Gefühl, über die Abflusskanäle breite sich ungezügelt eine ansteckende Krankheit aus. Und im August verschlimmert sich das Fieber, die Farbe blättert ab, und das Holz wird rissig wie die Haut eines Krankenhauspatienten, die heiße, feuchte Luft flimmert einem vor den Augen. Der blasse, schmutzige Film auf den Fensterscheiben lässt die Häuser stumpfsinnig wirken. Und der Gestank. Die offenen

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