Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
erinnern.«
    »Windpocken«, sagte sie fröhlich, »Sie haben uns Schweineschmalz gegeben und Zwiebelwickel. Es hat kaum gejuckt.«
    »Ah! Sehr gut!«, rief er freudig aus. »Das ist fein! Dann hast du also ...«
    »Ich möchte gern wissen, was Sie hier machen«, unterbrach ich ihn.
    »Ich habe einen Brief erhalten«, erklärte er, wobei sein weißer Backenbart sich aufstellte wie die Schnurrhaare eines Katers. »Einen überaus verstörenden Brief, wenn man an die jüngsten ... an die Gerüchte über die toten Kinder denkt. Kann man dem Herald Glauben schenken, sind das wirklich nur Zeitungsenten ? Sie und Ihr nicht gerade höflicher Herr Bruder waren die Ersten, die mir von diesem abscheulichen Fall erzählten, und so bin ich stante pede in die Tombs geeilt, um Sie zu suchen, da ich nun persönlich in den Fall verwickelt bin! Ich möchte Ihnen helfen. Polizeichef Matsell hat mir gesagt, ich könnte Sie hier finden.«
    »Und dieser Brief ...«
    »Ich habe ihn bei mir, wenn Sie ...«
    »Lassen Sie uns den Brief irgendwo anders anschauen«, sagte ich entschieden.
    Dr. Palsgrave zupfte an seiner Weste herum und ließ die flache Hand über seinen fest verschnürten Oberkörper wandern. »Dann folgen Sie mir. Meine Praxis ist nur zwei Straßen von hier entfernt.«
    Nachdem wir unbemerkt das steinerne Versammlungshaus verlassen hatten, da Moses Dainty immer noch damit beschäftigtschien, Kaffee in die Wähler zu füllen, gingen wir die Chambers Street entlang Richtung Westen. Je weiter wir uns dem Ende des City Hall Park beim Broadway näherten, desto stärker hatte ich plötzlich das merkwürdige Gefühl, die Zeit laufe in die falsche Richtung. Dieser Route war ich als Streifenpolizist gefolgt, nur in die andere Richtung. Wir überquerten die Kreuzung, auf der es von Fußgängern nur so wimmelte, und gelangten zu einer Reihe Steinhäuser, die uns mit sorgsam gegossenen Blumenkästen und blankgeputzten Fensterscheiben begrüßten, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte.
    Vor einer schweren Eichentür, neben der ein Bronzeschild mit der Aufschrift DR. PETER PALSGRAVE, ARZT für die JUGEND angebracht war, holte Dr. Palsgrave seine Schlüssel heraus. Dabei sah er Bird einen Augenblick an und runzelte die Stirn.
    »Darf ich fragen, warum sie ...«
    »Besser nicht«, erwiderte ich.
    Wenn Peter Palsgrave schon bislang keine hohe Meinung von Polizisten gehabt hatte, so änderte ich sie jedenfalls nicht zum Besseren, denn er blickte finster drein. Irgendetwas an seinem ständigen brüsken Wechseln zwischen unschuldigem Entzücken und fulminant schlechter Laune schien Bird außerordentlich zu gefallen. Jedesmal, wenn seine Lippen zuschnappten wie eine Muschel, gingen Birds Mundwinkel in die Höhe. Als der Arzt in den üppig mit Teppichen ausgelegten Eingangsflur trat und seinen Kastorhut an einen Haken hängte, stupste ich sie leicht an.
    »Ihr seid Freunde?«
    Sie nickte, während wir dem affektierten kleinen Arzt folgten. »Er tut immer so, als würde er sich an niemanden erinnern. Lustig, nicht wahr?«
    »Warum macht er das?«
    »Er will eben Kinder retten . Er ist toff, der Doktor, wissen Sie, und wenn er über unsere Namen Buch führt und uns später wiedersieht ... na ja, dann sind wir wieder krank, nicht wahr? Dann hat er versagt. Er will uns lieber vergessen und nicht wiedererkennen,wenn wir groß sind, als sich an uns zu erinnern und uns dann an den Keuchhusten zu verlieren.«
    Ich wollte ihr antworten, dass diese Erkenntnis mir sehr klug für ein zehn Jahre altes Mädchen erschien. Doch der Raum, in den wir geführt wurden, halb Arbeitszimmer, halb Labor, verschlug mir einigermaßen die Sprache. So etwas hatte ich im Leben noch nicht gesehen.
    Der große Raum war gewissermaßen zweigeteilt. Auf der vom Licht zweier großer, in den Garten hinausführender Fenster durchfluteten Seite befand sich ein komplett ausgestattetes Laboratorium, in dem es wachsversiegelte, funkelnd blaue Glasgefäße gab, Kupferkessel, die zu einem prächtigen rotgelben Glanz poliert waren, sowie alle Arten von Reagenzgläsern. Ich sah einen schweren Eisenofen, einen riesigen Tisch voller Phiolen, Messinstrumente und aufgeschlagener Notizbücher, die mit kritzeliger Doktorenhandschrift gefüllt waren. An den Wänden hingen, sorgfältig gerahmt, farbenprächtige Blätter, auf denen Schädel, Bäume, Quellen und Herzen abgebildet waren, deren Prinzipien und Besonderheiten in kursiver Kalligraphieschrift festgehalten waren.
    Auf der fensterlosen Seite

Weitere Kostenlose Bücher