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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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in meiner Brust weichte auf, wich plötzlicher Erleichterung. Als er mich bei den Armen packte und hochzog, unterdrückte ich mit Mühe einen Schrei, und wie durch ein Wunder konnte ich mich, als ich erst einmal stand, tatsächlich auf den Füßen halten. Er legte meinen Arm über seine rotbekleidete Schulter und lief los, so schnell ichmit ihm Schritt halten konnte. Über die Straße, durch die ich gekommen war, stolperten wir durch den Schutt, als sei es der knöcheltiefe Sand an einem Strand.
    »Da ist eine Frau, Val«, krächzte ich. »Sie ist ganz in meiner Nähe zu Boden gegangen. Wir müssen ...«
    »Langsam, langsam«, knurrte Valentine. Ich hätte ihn wegen des durchdringenden Schrillens der Alarmglocke nie gehört, wäre sein Gesicht nicht nur zwei Zoll von meinem Ohr entfernt gewesen. »Du bist noch ganz schön schikker, hm? Warte, bis wir hier raus sind.«
    »Sie ...«
    »Ich hab ein Stück von ihr gesehen, Timothy. Die wird man mit einer Schaufel ins Bett bringen müssen. Halte mal einen Moment den Mund.«
    An viel mehr erinnere ich mich nicht, bis Valentine mich schließlich in der New Street vor einer Backsteinmauer unter einem Gaslicht absetzte. Was noch vor kurzem eine frühmorgendlich verlassene Ladenstraße gewesen war, hatte sich in ein umgekipptes Hornissennest verwandelt. Mittlerweile waren schon mindestens drei verschiedene Löschfahrzeuge der freiwilligen Feuerwehr angekommen, und die Anspannung war all den Männern in den roten Hemden deutlich anzumerken. Nicht einer brüllte herum, sie stritten sich nicht um die Hydranten und streiften sich auch nicht ihre Schlagringe über. Jedes Mal, wenn ein Feuerwehrmann einem anderen ins Auge blickte, stand in seinem Gesicht nur eines zu lesen: Was jetzt? Und jetzt? Die Hälfte von ihnen suchte meinen Bruder in der Menge, dann blieben ihre Augen an ihm haften. Wilde. Wilde fürchtet sich vor nichts. Wilde weiß, was zu tun ist. Wilde stürzt sich in jedes Inferno, als wär’s ein Rosengarten. In Ordnung, Wilde. Was jetzt? Ich hätte sie am liebsten alle zum Schweigen gebracht, ihnen die Hand auf den Mund gepresst, damit sie aufhörten, nach ihm zu rufen.
    Was soll er denn eurer Ansicht nach tun gegen eine Stadt, die in die Luft fliegt?
    »Hast ja ganz schön Kuffen bestiebt, mein Junge. Verzieh dich zum nächsten Pillendreher«, befahl Valentine. »Ich würde dich ja ins Spital bringen, aber das ist zu weit, meine Männer brauchen mich. Der ganze Mokem wird in Flammen aufgehen, wenn wir ...«
    »Ja, geh schon«, antwortete ich verbittert, vom Husten geschüttelt. Wenn ich ihm dieses eine Mal zustimmte, würde er ja vielleicht aus purem Widerspruchsgeist Vernunft annehmen. Nichts bringt mich mehr in Rage als die Besessenheit meines Bruders für offenes Feuer. »Ich muss nur erst bei mir zu Hause vorbei, dann werde ich ...«
    »Machst du Scherze?«, blaffte mein Bruder mich an. »Geh zu ’nem Knochenbrecher. Du bist schlimmer gefezzt, als du denkst, Tim.«
    »Wilde! Hilf uns mal, das Feuer greift weiter um sich!«
    Mein Bruder wurde verschluckt von einer Horde von Rothemden, die einander Befehle zuschrien und Wasserfontänen aus ihren Schläuchen in die trägen Rauchlöckchen spritzten. Als ich mich mit einem heftigen Ruck von Val abwandte, erblickte ich die feiste Gestalt von Richter George Washington Matsell, der eine Schar wimmernder Weibsen fort von den brennenden Wohnungen und hin zu den Treppen des Gerichtsgebäudes trieb. Matsell ist nicht einfach nur irgendein Politiker. Für die alteingesessenen New Yorker ist er fast so etwas wie eine Legende, eine weithin sichtbare Gestalt, nicht zuletzt, weil er nahezu so viel Gewicht auf die Waage bringt wie ein Bison. Einer zuverlässigen bürgerlichen Autorität wie Richter Matsell zu folgen, schien eine geeignete Strategie, sich in Sicherheit zu bringen.
    Doch entweder weil ich zu wütend war oder weil ich eins auf den Kopf bekommen hatte, jedenfalls torkelte ich stattdessen in die Richtung meines Zuhauses. Die Welt, wie ich sie gekannt hatte, war verrückt geworden. Was Wunder, dass ich es auch war.
    Ich lief Richtung Süden durch einen Schneesturm, dessen Flocken die Farbe von Blei hatten, und fühlte mich haltlos, als triebe ich ins Leere. In der Mitte des Bowling Green gibt es einen Brunnen,einen fröhlichen, sprudelnden Springbrunnen, eine Schale aus Stein, über deren Rand das Wasser in die Tiefe strömt. Auch an diesem Abend plätscherte der Brunnen, aber kein Mensch konnte es hören, denn aus den

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