Der Teufel von New York
umstehenden Gebäuden kamen die Flammen wie Wasserfälle aus den Fenstern geschossen. Rotes Feuer rauschte wütend nach oben, während glasig rot gefärbtes Wasser hinunterfloss, und ich taumelte an den Bäumen vorbei, die Arme um den Bauch geschlungen, und fragte mich, warum mein Gesicht sich anfühlte, als hätte ich den Kopf gerade in das salzige Wasser vor Coney Island getaucht und hielte ihn nun in eiskalten Märzwind.
Als ich die Stone Street erreichte, sah ich ein Schlachtfeld vor mir, in dem das Feuer gründlich gewütet hatte, mein eigenes Haus zerfiel gerade zu Staub und wurde von den Aufwinden davongetragen. Bei diesem Anblick zerriss es mich schier. Unter meinen Füßen floss ein Rinnsal, das aus den Feuerwehrschläuchen austrat und in dem schon bald Hühnerknochen und zertrampelte Salatblätter herumschwammen, und vor meinem inneren Auge sah ich bereits, wie mein geschmolzenes Silber in die Ritzen der Pflastersteine gespült wurde. Das Ersparte von zehn Jahren war jetzt ein Quecksilberfluss, malte Spiegel an meine Stiefelsohlen.
»Nichts als Stühle«, schluchzte eine Frau. »Wir hatten doch einen Tisch, und er hätte ja auch das Leinen mitnehmen können. Nichts als Stühle, nichts als Stühle, nichts als Stühle.«
Ich öffnete die Augen. Ich war gelaufen, das wusste ich, aber meine Augen mussten geschlossen gewesen sein. Ich befand mich an der äußersten Inselspitze, inmitten der Battery Gardens. Nur dass sie mit dem, was ich gekannt hatte, nichts mehr gemein hatten.
Die Battery ist eine Promenade für alle, die Zeit für Erholungsspaziergänge haben. Auch wenn sie noch so sehr mit Zigarrenstummeln und Erdnussschalen übersät ist, der Wind, der vom Ozean heranweht, vertreibt einem sofort die Sorgen aus den Knochen, und die Platanen können den Blick auf den Wald vonNew Jersey am anderen Ufer des Hudson nicht versperren. Es ist ein großartiger Ort, und am Nachmittag stützen sich die Einheimischen wie die Touristen auf die Eisengeländer und blicken, jeder für sich allein, gemeinsam übers Wasser.
Doch jetzt war die Battery ein Möbellager geworden. Die Frau, die über ihre Stühle wehklagte, besaß ganze vier davon, während zu meiner Linken ein kleiner Hügel aus Baumwollballen aus dem Feuer gerettet worden war. Teekisten stapelten sich zu einem schwindelerregend hohen Turmbau zu Babel neben einem riesigen Haufen Besenstiele. Die Luft, die noch vor einer halben Stunde faulig nach Sommer gestunken hatte, roch jetzt nach dem Aschestaub brennenden Waltrans.
»Oh du lieber Gott!«, sagte eine Frau, die mindestens fünfzig Pfund Zucker in einem ordentlich gestempelten Sack schleppte, und starrte mir entsetzt ins Gesicht. »Sie sollten zum Arzt gehen, Sir.«
Ich hörte sie kaum. Ich war ins Gras gesunken, zu den Schaukelstühlen und den Mehlsäcken. In meinem Kopf drehte sich nur ein Gedanke – der einzige, mit dem sich ein ehrgeiziger junger New Yorker überhaupt abgeben würde, wenn er in Ohnmacht fiel, während um ihn herum die Stadt in die Luft flog:
Wenn ich noch einmal zehn Jahre lang sparen muss, nimmt sie einen andern.
*
Als ich erwachte, war mir schlecht, ich hatte keine Orientierung mehr, dafür hatte mein Bruder schon einen neuen Beruf für mich gefunden. Valentine ist leider so.
»Da bist du ja wieder, prächtig«, sagte mein Bruder mit gelangweilter Stimme. Er saß verkehrt herum auf einem Stuhl neben meinem Bett und ließ seinen kräftigen blondbehaarten Arm mit der halbzerkauten Zigarre über die Lehne aus unpoliertem Zedernholz baumeln. »Übrigens, ein bisschen was steht noch von New York. Aber dein Bais nicht mehr, und das von deiner Arbeitauch nicht. Hab nachgeschaut. Die sehen beide aus wie die Innenseite von meinem Kamin.«
Wir waren also beide noch am Leben, was recht erfreulich war. Doch wo waren wir? Auf der Fensterbank, ein paar Fuß von mir entfernt, standen ein paar Kräutertöpfe und eine Schüssel mit munter aufrecht stehenden Spargelstangen, entweder zur Zierde oder als zukünftiges Mittagessen. Dann fiel mein Blick auf ein riesiges, prachtvolles Gemälde an der Wand, das einen Adler mit Pfeilen in den Klauen darstellte, und ich stöhnte innerlich.
Wir befanden uns in Vals Wohnung in der Spring Street. Monatelang war ich nicht mehr dort gewesen. Er wohnt im ersten Stock eines hübschen, gemütlichen Reihenhauses, mit hysterischen politischen Plakaten und den üblichen patriotischen Bildern von George Washington und Thomas Jefferson an den Wänden.
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