Der Teufel von New York
blaffte ich, »sagen Sie mir jetzt bloß nicht, er ist verhaftet worden!«
»Nein, es ist wegen der Beweise. Sie müssen bedenken, wie das von Polizeichef Matsells Seite aussieht. Sollten wir mit Sheehy recht behalten, dann ist er in zwei Stunden wieder frei. Sollte es sich aber herausstellen, dass wir uns geirrt haben und dass wir ihn hätten befragen können und es nicht taten, dann wäre das für die Polizei das Ende.«
Ich nickte, hinter meinem rechten Auge tobte plötzlich ein Kopfschmerz von der Kraft eines Buschfeuers. Das Auge war beidem Brand zwar nicht verletzt worden, aber ich hatte den Verdacht, dass Anspannung und Ärger es schmerzen ließen. Und ich war ziemlich verärgert. Ich hatte schon einmal die Beherrschung verloren, daher nahm ich mich jetzt zusammen – wenn auch nicht für lange.
»Ist Dr. Palsgrave auch dort?«
»Er ist nach Hause gegangen. Hat über schlimme Herzbeschwerden geklagt.«
Ich öffnete schon wütend den Mund, da fiel mir Mr. Piest ins Wort.
»Er ist ein Bürger, der mit diesem Verbrechen nichts zu tun haben kann«, lauteten seine besonnenen Worte. »Ich sage Ihnen, was ich jetzt tun werde, Mr. Wilde. Wenn ich diese Werkzeuge lange und gründlich unter die Lupe genommen habe, werde ich einen Bericht schreiben. Sodann gedenke ich, ein paar Austern mit etwas Butterbrot zu essen, und zwar so schnell wie möglich. Und danach begebe ich mich in den Norden der Stadt und finde den Besitzer dieser gebrauchten Kondome. Und Sie?«
Ich verzieh dem verrückten alten Holländer jedes Problem, für das er nichts konnte, und nickte. »Miss Underhill hat den Jungen identifiziert. Er hieß Marcas und stammt aus einem Freudenhaus unten am Hafen. Ich möchte herausfinden, wann er von dort verschwunden ist und wer ihn als Letztes gesehen hat.«
»Wunderbar«, rief er aus. »Dann wünsche ich uns beiden viel Glück.«
»Ich bin sehr dankbar für Ihre Augen, und das sollen Sie auch wissen, Mr. Piest. Denn es gibt in dieser Ermittlung sonst nicht viel, wofür ich dankbar bin.«
»Sehen ist ein ehrliches Handwerk. Eines, das man lernen muss. Ich gebe mein Bestes«, sagte er und lächelte auf eine hässliche, wundervolle Weise.
»Und wie sind Sie zu dieser Kunst gekommen?« Ich konnte der Frage nicht widerstehen.
»Meine Eltern waren holländische Pelzhändler.« Er lehnte sich vor und stützte sich dabei auf die Lehne der nächsten Kirchenbank.»Sie verloren ihr Vermögen, bevor sie ihr Leben verloren – und so verlor ich mein Erbe. Doch eines Tages klagte ein alter Freund meines Vaters, man habe ihm dreihundert Yard überaus kostbare Seide aus seinem Lager gestohlen. Der Übeltäter musste jemand sein, der wusste, dass das rückwärtige Fenster nicht richtig schloss, ein Angestellter also oder ein naher Freund, und das empörte ihn so über die Maßen, dass er dem, der ihm die Seide wiederfinden würde, eine Belohnung von zehn Dollar aussetzte. Sie hätten sein Gesicht sehen müssen, Mr. Wilde. Seinen Schmerz darüber, von den eigenen Leuten bestohlen worden zu sein. Ich habe das nie vergessen. Es ließ mir keine Ruhe mehr, sehen Sie, denn mein eigener Vater war auch von seinem Geschäftspartner betrogen worden, was letztendlich dazu geführt hatte, dass ich mein Bett zu Feuerholz zersägen musste. Es gibt kaum ein schlimmeres Gefühl als das, bestohlen worden zu sein.«
Ich nickte. »Sie haben die Seide gefunden, vermute ich, die Belohnung eingestrichen und bei der Gelegenheit Ihr verstecktes Talent entdeckt?«
»Mit Talent hatte das ursprünglich nicht viel zu tun, denn ich war derjenige, der den Stoff gestohlen hatte.« Beim Anblick meiner hochgezogenen Brauen lachte er. »Der alte Freund meines Vaters bot mir statt der Belohnung eine Stelle an. Aber ich nahm keines von beidem an. Am nächsten Tag ließ ich mich als Nachtwächter anstellen und setzte eine Anzeige in die Zeitung. Ich bot meine Dienste an, um verlorene Wertgegenstände wiederzufinden, gegen zehn Prozent des Barwertes. Ich habe seither nie mehr Hunger leiden müssen, und reich werde ich auch nie sein. Aber ich habe meinen Platz gefunden. Geben Sie Acht auf sich, Mr. Wilde.«
Ich war schon auf halbem Wege zum rückwärtigen Eingang, als seine Stimme mich zum Stehen brachte.
»Wie kommt es, dass die junge Dame ... Miss Underhill, sagten Sie? Wie kommt es, dass sie hier war?«, fragte er höflich.
»Vor ihrem Fenster hatte es eine Unruhe gegeben«, rief ich ihm zu. »Wir müssen jetzt doppelt so vorsichtig
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