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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Frontalangriff übergangen. Nutten mit kurzen, hochgesteckten Kleidern und solche mit Schlitz im Kleid. Freudenmädchen, die auf Pollern saßen und sich mit alten Zeitungen Luft zufächelten, und Nutten, die im eigenen Hauseingang saßen und sich noch nicht die Mühe gemacht hatten, ihre Brüste zu bedecken. Nutten, die nach Salzwasser und Gin und nach fremdem Schweiß rochen. Sie waren in Flitterkram gekleidet und von Pockennarben bedeckt, die ihnen die Matrosen vermacht hatten. Bei ihrem Anblick schwankte ich zwischen dem Impuls, sie einzusammeln und in ein Spital der Wohlfahrtspflege zu verfrachten, und dem, sie alle in ihre Häuser zu scheuchen, damit sie nicht weiter die Stadt verunzierten. Und natürlich wimmelte es am Hafen nur so von Iren. Ich wusste nicht, welches Schiff gerade eingelaufen war, aber an einem der Piers standen dicht gedrängt etwa hundert an der Zahl, die Knochen zeichneten sich wie Korsettstäbe unter der Haut ab, in den Augen, mit denen sie die fremde Umgebung musterten, stand blanke Furcht. Sie hatten sich für ihre Ankunft wirklich einen alles andere als verheißungsvollen Morgen ausgesucht, dachte ich.
    Das Gebäude, das Mercy mir genannt hatte, war typisch für diese Gegend, das ehemalige Wohnhaus eines reichen Händlers, mit Stuckverzierungen, die den Betrachter beeindrucken sollten.Später war das Haus langsam verfallen, bis es am Ende nur noch unehrenhafte Berufe beherbergte. Die Fassadenkanten zerbröselten, wahrscheinlich seit der Bankenpanik von 1837 – vielleicht war der Besitzer dabei sogar noch reicher geworden und an den Broadway umgezogen; wie dem auch sei, jetzt war sein Haus nur noch ein Wrack.
    Ich trat einfach ein, ich hatte keine Lust, anzuklopfen.
    Von außen hatte es noch besser ausgesehen als innen. Ein mit einer dicken Staubschicht überzogenes Klavier stand neben einem Regal mit Schnapskrügen und einem Gemälde im griechischen Stil, das eine Lustpartie in den Wäldern in männlicher Gesellschaft darstellte und von sehr schlechtem Geschmack zeugte. Die Besitzerin war offenbar jene Person, die dort auf einer mottenzerfressenen Couch lag und träge an einer Opiumpfeife zog. Die wenige Luft, die noch zum Atmen übrig blieb, war zum Schneiden dick.
    »Du musst mir schon ein Minütchen Zeit lassen, Süßer. Hier ist keiner auf den Beinen zu dieser unchristlichen Stunde!«
    »Ich bin Polizist«, sagte ich und deutete auf den Stern. »Timothy Wilde.«
    »Ist das irgendwie wichtig, mein Lieber?«, fragte sie triefäugig.
    »Aber gewiss, Sie werden schon sehen. Wer war Marcas’ letzter Kunde?«
    »Himmel, wie soll ich mich denn daran erinnern? Muss ja schon Stunden her sein. Hat er was ausgefressen, hm?«
    »Wann haben Sie Marcas zum ersten Mal vermisst?«
    Das Weib verdrehte vor Überraschung die Rhinozerosaugen. »Sollte ich ihn überhaupt schon irgendwie vermisst haben? Er ist oben. Dritte Tür links. Gehen Sie schon, wenn er Ihr Liebling ist, dann muss ich mir nicht die Mühe machen, die anderen antanzen zu lassen.«
    Angeekelt machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte nach oben. Die dritte Tür links stand offen. Im Zimmer fand ich ein Bett, eine Lampe, einen Nachttopf, einen Schminktisch und in dessen oberster Schublade billige Theaterschminke. Sonst nichtviel. Also verließ ich die nüchterne Kammer und klopfte bei der nächsten an.
    Ein etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alter Junge streckte die Nase heraus. Zeigte nicht die geringste Neugierde. So absolut gar keine Neugierde, dass ich am liebsten meine Faust durch seine Wand geschlagen hätte. Er trug Männerkleidung, doch in lächerlichem Stil – alles billiger Satin, Spitzenmanschetten und Messingschmuck. Er hatte nicht geschlafen, denn seine braunen Augen waren klar.
    »Ich wüsste gern, ob du mir sagen kannst, wann Marcas dieses Haus verlassen hat. Ich bin Polizist, und es ist wichtig«, sagte ich.
    »Was, bei uns gibt’s Polizisten?«, fragte er ehrlich erstaunt.
    »Allerdings«, antwortete ich erschöpft.
    »Was Marcas angeht, keine Ahnung. Der könnte jederzeit verschwunden sein, wo die Missus da unten schon seit zwei Tagen ihr Pfeifchen schmaucht. Gestern Nachmittag war Marcas sternhagelvoll, der konnte gar nicht mehr stehen. Einer der Gäste muss ihm was von seinem Fusel gegeben haben. Er ist weg, sagen Sie?«
    »Ja. Fehlt irgendetwas in seinem Zimmer?«
    Der Junge ging ins angrenzende Zimmer, sah sich um und schüttelte den Kopf. »Nee. Doch, sein Tagebuch. Sonst liegt es immer auf dem Tisch. Er

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