Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
gekommen?«
    »Mrs. Boehm hat ihn mir gegeben. Sie scheint nicht länger böse auf mich zu sein.«
    Ich setzte mich in paar Fuß Entfernung mit dem Rücken zur Wand und fürchtete mich vor dem, was vor mir lag. Ich bekam fast Magenschmerzen davon.
    Als Erstes nahm ich meinen Hut ab. Dann den Stofffetzen. Ich legte beides neben mich und schlang die Arme um die Knie. Nur ich, Bird und mein ganzes Gesicht – denn das hatte sie wohl verdient – und die Erinnerung an eine blutbefleckte Kirchentür. Das Bild gab mir etwas von dem Mut, den ich so nötig brauchte.
    »Ich muss alles wissen«, sagte ich ihr. »Es schmerzt mich, aber ich muss.«
    Birds Augen weiteten sich vor Panik. Es war, als sei ein Gewitter darin losgebrochen. Sie schloss die Augen. Dann kroch sie die paar Fuß zu mir heran, lehnte sich ebenso wie ich mit dem Rücken an die Wand und umschlang ihre Knie, nachdem sie ihr besticktes Kleid ordentlich glatt gestrichen hatte. Das alles wortlos.
    Falls Sie wissen wollen, wie Courage aussieht – ich könnte mir kein besseres Abbild vorstellen.
    »Diesmal die Wahrheit«, wisperte sie.
    »Die Wahrheit.«
    Wir saßen eine Weile so da. Dann stürzte Bird sich plötzlich in die Geschichte hinein, und ich stolperte hinterher und kämpfte gegen den Schwindel an, der mich packte, als ich Zoll um Zoll weiter in die Tiefe geriet.

20
    Haltet euch stets GOTT vor Augen
    Mit all eurer Willenskraft;
    Begehet keine Sünde,
    Befolget seine Gebote.
    Seht mit Abscheu die Hure Babylon
    und all ihre Blasphemie;
    Trinket nicht aus ihrem Becher,
    noch gehorchet ihren Befehlen.
    Schulfibel für Neuengland, 1690.
    »Liam hörte nicht mehr auf zu husten«, fing Bird an.
    Ihre Augen waren starr auf ihre Hände gerichtet, und diese wiederum lagen starr auf ihren Knien.
    »Das ging tagelang so«, fuhr sie fort, »also haben sie nach Dr.  Palsgrave geschickt. Der war sehr besorgt. Er schrie alle Augenblicke jemanden an, und dann entschuldigte er sich gleich wieder und verteilte Bonbons, bis er keine mehr übrig hatte. Und da war uns klar, dass er sehr besorgt war. Er blieb eine ganze Nacht an Liams Bett sitzen, obwohl er eigentlich für so etwas keine Zeit hat, denn es gibt so viele Kinder, um die er sich kümmern muss. Viele Tausende, nehme ich an. Und deshalb glaubten wir alle, Liam müsse sterben.«
    »An der Lungenentzündung.«
    »Ja. Das war vor, na ja, vor vielleicht zwei Wochen. Dann ging es Liam allmählich besser, er bekam wieder etwas Farbe ins Gesicht. Das hatte er Dr. Palsgrave zu verdanken. Aber ich bin mir sicher, dass er Liam vergaß, sobald er nur konnte. Dann gingLiam eines Tages wieder nach draußen, und schon war der Husten wieder da. Es klang fürchterlich. Am nächsten Morgen war die Tür abgeschlossen, und die Madam sagte uns, er fühle sich besser, aber er müsste sich ausruhen und wir sollten ihn nicht belästigen.«
    Bird verstummte. Man kann nicht wirklich sagen, dass ich sie gestupst habe. Ich bin nur einen Zoll weit näher gerückt, so dass mein Ellbogen ihren Oberarm berührte. Sie machte die Augen zu.
    »An jenem Abend«, sagte sie.
    »Einundzwanzigster August.«
    »Ja.«
    Ich wartete.
    »Ich bin die Treppe runter, denn ich wollte ein bisschen Milch trinken. Die Madam hat nie etwas dagegen gesagt, wenn wir solche Sachen wollten. Mehr Essen und so. Sie hat viel Geld, deshalb ist auch die Milch immer gut, sie schüttet kein Wasser rein, und sie mischt sie auch nicht mit Kalk, um den Geschmack nach verdorbener Milch zu überdecken. Ich schenkte mir ein Glas ein und trank es aus. Ich hatte keinen ... es waren keine Besucher da, außer einem bei Sophia, glaube ich. Also ging ich zum vorderen Zimmer, um aus dem Fenster zu schauen und mir die Kleider der feinen Damen anzusehen. Eine Kutsche stand da. Es war die von dem Mann mit der schwarzen Kapuze. Ich kannte sie vom Sehen, und da wurde mir ganz kalt.«
    »Kannst du mir sagen, wie sie aussieht?«
    »Groß und dunkel. Vier Räder. Sie wird von zwei Pferden gezogen. Auf der rechten Seite ist etwas aufgemalt, aber ich konnte nie genau erkennen, was es war.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Ich hab mich geduckt. Ich dachte, ich sollte mich vielleicht besser in meinem Schlafzimmer verstecken, denn ich hatte ja gesehen, was passiert, wenn ... Ich habe nie jemand was davon erzählt, aber ich habe es doch gesehen. Sie waren in schwarzen Stoff gewickelt, aber ich wusste, was drunter war. Ich hab bloß immer Sachen kaputt gemacht, aber nie was gesagt. Teetassen,einmal

Weitere Kostenlose Bücher