Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
eine Lampe. Sie hat mich nie dafür geschlagen, nur ihr Blick wurde ganz kalt, und ich musste dann ein paar Tage noch länger aufbleiben.«
    »Wie lange hast du dort gelebt, alles in allem?«
    »Ich weiß nicht. Jahrelang hab ich das Silber geputzt. Sie hat gesagt, ich bin dort geboren. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht. Aber mit acht habe ich dann ... zu arbeiten angefangen. Daran kann ich mich erinnern.«
    Meine Finger verkrampften sich, aber ich hielt den Mund.
    »Ich bekam Angst, als ich die Kutsche sah. Ich wollte nicht, dass der Mann mich auch holte. Aber dann machte ich mir noch aus einem anderen Grund Sorgen, weil ... weil Liams Tür abgesperrt worden war, wissen Sie, und wenn das nun hieß, dass der Mann mit der schwarzen Kapuze zu ihm kommen sollte? Ich dachte, vielleicht könnte ich ihn einfach rauslassen. Ich hatte Liam gern. Er kannte sich mit Vogelstimmen aus. Er sagte, bei meinem Namen sollte ich sie auch alle kennen. Wir waren noch nicht bei den schwierigen angekommen, er wollte mir in der Woche noch welche beibringen.«
    Bird hatte ein wenig zu weinen begonnen, aber ihre Stimme klang unverändert. Die Tränen benetzten still ihre Wangen.
    »Die Türschlösser zu knacken ist nicht schwer. Robert hat mir das beigebracht, als ich sieben war. Also hab ich mir eine Haarnadel aus dem Schlafzimmer geholt und geschaut, ob auch niemand im Flur war. Ich hab die Tür aufgemacht, so leise, wie ich nur konnte. Ich dachte, ich könnte Liam zur Hintertür rauslassen. Es gab ja vielleicht noch andere Schofelkitts, in die er gehen könnte, oder ... ich weiß nicht. Vielleicht dachte ich, dass er schnell wieder gesund werden würde und dann zur See fahren könnte. So hab ich mir das vorgestellt. Aber ich war ja dumm. So dumm . Ich hatte nicht unter der Tür nachgesehen.«
    »Weshalb hättest du das tun sollen?«
    »Weil es drinnen zappenduster war«, sagte Bird mit erstickter Stimme. »Wenn er drin gewesen wäre, und wach, dann hätte doch die Lampe gebrannt. Als ich die Tür offen hatte, bin ich reingeschlichen,und nach ein paar Schritten bin ich über eine große Schüssel gestolpert.«
    Ich brauchte nicht zu fragen, was in der Schüssel gewesen war. Ihre Lider zitterten wie die Flügel einer panischen Motte, die gegen die Anziehungskraft einer Talgkerze ankämpft.
    »Hast du Licht gemacht?«, fragte ich stattdessen.
    »Nein. Die Sterne leuchteten so hell, ich konnte Liam auf seinem Bett liegen sehen. Er atmete nicht. Es war auch kein Blut mehr in ihm. Das war alles in der Schüssel. Und dann überall auf dem Boden, überall auf meinem Nachthemd.«
    Ich legte ihr einen Arm um die Schulter, ganz sachte. Sie wehrte ihn nicht ab, also ließ ich ihn dort.
    »Ich rannte zurück in mein Schlafzimmer, wo die Lampe angezündet war. Ich brauchte es hell. Ich wollte schreien, deshalb drückte ich mir ein Kissen auf den Mund, bis ich wusste, dass ich still sein konnte. Dann hab ich ein paar Strümpfe aneinandergebunden und am Fenstergriff festgeknotet. Ich hatte Angst, jemand könnte es sehen, so große Angst, dass meine Hände furchtbar zitterten. In manchen Zimmern gibt es ... Löcher in den Wänden. Bei Madam Marsh hat noch nie jemand eins entdeckt, aber vielleicht war sie ja schlauer als wir. Sie ist schlauer als die meisten. Aber niemand hat mich aufgehalten. Und dann bin ich weggerannt. Ich konnte nicht länger dort bleiben. In der Nacht habe ich den Mann mit der schwarzen Kapuze nicht gesehen. Nur seine Kutsche. Aber ich wusste, was er vorhatte. Ich wusste, er würde Liam in Stücke reißen.«
    Es war nichts, wofür ich besonders begabt gewesen wäre. Auf dem Boden zu sitzen, den Arm um ein mageres, zehn Jahre altes Mädchen gelegt, und zu versuchen, sie so weit zusammenzuhalten, dass sie nicht vor lauter Zittern das Bewusstsein verlor. Die Leute erzählen mir zwar alle möglichen Dinge, aber deshalb bin ich noch lange nicht geübt darin, diese Leute wieder zusammenzuflicken. Und vielleicht war ich einfach nur ein Weichling und letztlich überhaupt zu gar nichts nutze. Aber bei Gott, ich hab mich wirklich angestrengt.
    Bird liefen weiter die Tränen hinunter. »Ich habe mich auch vorher schon mal schlecht gefühlt, aber das war anders. Das mit dem Blut. Es war, als könnt ich’s nie mehr abwaschen. Als würde gar nichts helfen.«
    »Ich wünschte, ich könnte etwas tun, dass es dir besser geht.«
    »Da kann man nichts tun. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das nicht früher erzählt hab. Ich – ich mochte Sie

Weitere Kostenlose Bücher