Der Teufel von New York
erfüllt mich mit Stolz, zu den Polizisten des Sechsten Bezirks des Ersten Distrikts der großen Stadt New York zu sprechen.«
Vereinzelter Beifall. Aber ich war zu beeindruckt von dem Mann, der gerade durch die kleine Richtertür auf der linken Seite gekommen war, um ebenfalls zu klatschen. Das letzte Mal hatte ich ihn inmitten eines Infernos gesehen, deshalb schaute ich ihn eine ganze Weile prüfend an. Sollte es auch nur einen einzigen neuen Polizisten geben, der von Staatsrichter George Washington Matsell nicht fasziniert gewesen wäre, so ist er mir, das muss ich zugeben, entgangen.
Matsell war, wie ich später erfuhr, erst vierunddreißig Jahre alt, als er von der demokratischen Mehrheit des Stadtrats zum ersten Polizeichef von New York City ernannt wurde. Aber der Mann, der hier vor uns stand, massig wie ein Walross und zweimal so faltig, wirkte viel älter. Sein doppelter Ruf der Frömmigkeit und Durchtriebenheit muss ihm vorausgeeilt sein, doch ich glaube nicht – wenn man einmal davon absah, dass er als Person einen unvergesslichen Eindruck machte –, dass irgendjemand an jenem Tag auch nur in Ansätzen seine wahre Größe erkannte. Ich kann jetzt mit Gewissheit sagen, dass er ebenso intelligent wie willensstark ist. Außerdem bringt er gut und gern dreihundert Pfund auf die Waage. Sein fleischiges Gesicht hat die Form eines großen A: schmale, bis zur Nase heruntergezogene Brauen, tiefeFalten von den Nasenflügeln zum Kinn, nach unten zeigende Lippen, kleinere Fältchen vom Mund die Wangen hinunter.
»Diese Bande von Tölpeln, bekannt als Harper’s Police oder Blaumäntel, ist Gott sei Dank vollständig aufgelöst worden. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer neuen Stelle, die in Jahresfrist auslaufen wird«, rief Matsell mit heiserer Baritonstimme, zog ein Blatt Papier aus seinem riesigen, sackartigen grauen Rock und blickte durch runde Brillengläser darauf.
»Wenn das Ergebnis der nächsten Wahlen feststeht, sind Sie – falls die Verhältnisse im Stadtrat unverändert bleiben – selbstverständlich herzlich eingeladen, sich wieder zu bewerben.«
Damit hatte er gerade umschrieben, warum Männer wie Valentine immer so beschäftigt sind: Ändert sich die politische Lage nur deutlich genug, heißt das, dass all deine Freunde ihre Arbeit verlieren und in ausrangierte Eisenbahnwaggons nördlich der porösen Grenzen der Zivilisation ziehen müssen, die in etwa hinter der Einundzwanzigsten Straße endet. Die Wahlen entscheiden darüber, welche Rattenbande die Knochen abnagen darf. Ich fühlte mich gerade selbst ein bisschen wie eine Ratte in dem Wissen, wie ich hierhergelangt war, denn falls hier noch andere Wähler als die der demokratischen Partei anwesend waren, so behielten sie das tunlichst für sich.
»Einige von euch«, fuhr der Polizeichef fort, »sehen aus, als ob sie darauf brennen zu erfahren, was sie jetzt eigentlich genau tun sollen.«
Vereinzeltes Gelächter und Stiefelscharren.
»Ihr habt einen Sechzehn-Stunden-Dienst. In diesen sechzehn Stunden pro Tag – oder pro Nacht natürlich – ist es eure Aufgabe, Straftaten zu verhindern. Falls ihr seht, wie jemand in ein Haus einbricht, dann nehmt ihr ihn fest. Wenn ihr ein vagabundierendes Kind seht, holt ihr es von der Straße. Wenn ihr seht, wie eine Frau einem Touristen die Geldbörse stibitzt, dann verhaftet ihr sie.«
»Und was ist, wenn sie nur eine Straßenläuferin auf Kundensuche ist?«, rief ein vierschrötiger Kerl mit krummem Rückenaus. »Nehmen wir die dann auch fest? Ist Hurerei nicht auch ein Verbrechen?«
Ein Dutzend Männer lachten laut auf, als sie die Frage hörten. Zwei oder drei pfiffen. Insgeheim pflichtete ich ihnen bei.
»Selbstverständlich«, erwiderte Matsell bedächtig. »Aber bei genauerer Betrachtung – erst einmal müsste sie schön brav mit Ihnen gehen, und dann brauchen Sie nur noch ihre Kunden dazu zu bringen, dass sie vor Gericht als Zeugen aussagen, also warum fangen Sie nicht gleich an, die größte Arrestzelle der Welt zu bauen, und geben uns Bescheid, wenn Sie damit fertig sind?«
Wieder Gelächter, und ich spürte erneut einen Stachel des Interesses. Bei dieser Arbeit wurde offensichtlich von einem erwartet, dass man hin und wieder auch einmal nachdachte und sich nicht einfach zum uniformierten Idioten machte.
»Also, um Ihre Frage zu beantworten: Sollten Sie anfangen, nachts jede Dirne, der Sie begegnen, aufs Polizeirevier zu zerren, dann werd ich Sie persönlich zum Teufel schicken. Für so
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