Der Teufel von New York
zwei Stockwerke, waren aber selbst wiederum in Eisengittern gefangen, die so groß waren, dass sie gut einem Riesen als Kaminrost hätten dienen können. In den düsteren bleifarbenen Stein war über jedem dieser Fenster ein Globus mit einem wild flatternden Flügelpaar und Schlangen, die versuchten, den Planeten zurück in die richtige Umlaufbahn zu schieben, gemeißelt worden.
Falls sie damit den Eindruck hatten erwecken wollen, dies sei ein Ort, an dem Menschen lebendig begraben wurden, dann hatten sie ihre Viertelmillion Dollar ziemlich gut angelegt.
Als ich mich dem Eingang näherte, fiel mir ein Grüppchen von zehn oder zwölf Protestlern auf, alles Männer, deren hässlich bunte Krawatten mit Sorgfalt gebunden waren und denen man bei wenigstens einer Gelegenheit die Nase gebrochen hatte. Etliche trugen eine Trauerbinde, aber keine wirkliche Trauerkleidung, was ich als Akt des symbolischen Protests deutete, und einer hielt ein Schild hoch, auf dem stand: NIEDER MIT DER TÜRANNEI DER POLÜPEN – POLLIZISTEN , EURE TAGE SIND GEZÄLT . Die Augen des Burschen schossen tödliche Blitze ab, und er spuckte mir genau vor die Füße, als ich an ihnen vorüberging.
»Worum trauert ihr?«, fragte ich neugierig.
»Bürgerrecht, Freiheit, Gerechtigkeit und eine amerikanische patriotische Gesinnung«, erwiderte einer der Kraftmeier, der nur noch ein halbes Ohr besaß, in breitem Slang.
»Dann würde ich aber doch vielleicht noch in ein schwarzes Halstuch investieren«, riet ich ihm und spazierte ins Gefängnis hinein.
Alles, was man von draußen von den Tombs sehen kann, ist die massive Fassade mit den in Eisen geschlagenen hohen Fenstern. Doch als ich die acht Stufen zwischen den Säulen hinaufgestiegenwar, sah ich, dass das Gebäude rechteckig um einen offenen Innenhof angelegt war, und das überraschte mich dann doch. Es gab nach Geschlechtern getrennte Zellen auf vier Stockwerken sowie unzählige Gerichtssäle, in denen darüber entschieden wurde, wie lange man die Gefangenen dort zu behalten gedachte. Ein pockennarbiger Grobian mit einem schmutzigen weißen Halstuch führte mich zum größten der Gerichtssäle, wo man anscheinend die Polizisten in einer Ansprache über ihre Pflichten aufklären wollte.
Auf dem Weg durch die frische Luft, da, wo an Hinrichtungstagen der Galgen stand, gesellte sich eine seltsame Kreatur zu mir. Ich konnte mir nicht helfen, ich musste den Mann anstarren. Er war sehr schäbig gekleidet, verkleckertes Ei hatte sein fadenscheiniges schwarzes Sakko beschmutzt; sein Gang war leicht o-beinig und fast schon krebsartig. Die verrückte Gangart wirkte sich derart unvorteilhaft auf seine Größe aus, dass er, obwohl deutlich größer, fast so klein wirkte wie ich. Sein Gesicht war verkniffen, ohne Kinn, mit hellbraunen, starren Augen, so dass ich mir sicher war, er müsse am Morgen aus dem Ozean gekrochen sein. Sein Alter hätte ich auf sechzig geschätzt. Aber seine Stiefel waren eckig und geschnürt und wirkten vom Stil her noch weitaus älter, und sein dünnes graues Haar war wild zerzaust von einem Wind, der sonst nichts zu berühren schien.
Wir betraten Seite an Seite den Gerichtssaal. Er trabte davon, um einen Sitz zu ergattern, und ich sah mich um und nahm dann auf einer Bank Platz, die für gewöhnlich den Prozessanwälten vorbehalten ist. Die Wände waren weiß getüncht, und vor uns stand der leere, erhöhte Sitz des Richters. Ich ließ meinen Blick forschend über die bunte Kohorte meiner neuen Kollegen wandern.
Ein Narrenkleid hätte neben der Truppe, die dort saß, wie eine Uniform gewirkt. Sie waren ungefähr fünfzig an der Zahl, und wieder hatte ich das Gefühl, der stille Punkt inmitten eines heftigen Tumults zu sein. Es gab jede Menge Iren mit hervortretenden Adern auf den abgearbeiteten Händen, vorspringendemKinn und rotem Backenbart, argwöhnisch und kampflustig, in schmuddeligen blauen Jacken mit langen Rockschößen und alten Messingknöpfen. Auch schwarzhaarige Iren, blass und breitschultrig, die sich mit zusammengekniffenen Augen umsahen. Ein paar versprengte Deutsche mit geduldigem, aber strengem Blick, die Arme beim Sprechen über der Brust verschränkt. Amerikaner mit heruntergeschlagenem Kragen, die Music-Hall-Melodien pfiffen und ihre lachenden Freunde knufften.
Schließlich noch der krebsartige alte Mann in den Schnürstiefeln und ich selbst, die wir auf weitere Befehle warteten. Er mit deutlich mehr Enthusiasmus als ich.
»Willkommen, Gentlemen! Es
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