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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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was hat niemand die Zeit. Lohnzuschläge zahlt die Stadt nicht, aber es liegt in Ihrem eigenen Ermessen, ob Sie Belohnungen von zufriedenen Bürgern annehmen oder nicht«, verkündete unser Polizeichef, während er seine lange Nase in die gekritzelten Notizen steckte. »Abgeschafft wurden die Kontrolldienste für öffentliche Gesundheitseinrichtungen, Docks, Hydranten, Pfandleihen, Trödelläden, Mietkutschen, Pferdewagen, Straßen- und Parkinspektion. Die Arbeit dieser Männer übernehmt ihr jetzt. Es gibt keine Sonntags-Abstinenz-Wächter und Alarmglockenläuter mehr. Die Arbeit dieser Männer übernehmt ihr jetzt auch. Die vierundfünfzig Männer von der Feuerwacht sind fort. Wer übernimmt jetzt ihre Arbeit, Mr. Piest?«
    Der krebsgesichtige Alte mit den Schnürstiefeln sprang auf, reckte die runzlige Faust in die Höhe und schrie: »Das sind wir! Wir sind die Feuerwacht, wir sind der Schutzschild des Volkes, Gott segne die guten alten Straßen von Gotham!«
    Applaus brandete auf, und Gejohle ertönte, halb Spott, halb Zustimmung.
    »Mr. Piest hier ist einer von der alten Garde«, bemerkte Polizeichef Matsell hüstelnd und schob seine Brille wieder auf der Nase hoch. »Wenn Sie wissen wollen, wie Sie Ihr gestohlenes Gut wieder zurückbekommen können, so sprechen Sie mit ihm.«
    Ich persönlich hatte meine Zweifel, ob Mr. Piest, der jetzt die Eireste auf seiner Weste entdeckt hatte und mit dem Daumennagel daran herumschabte, sein eigenes Hinterteil zu finden imstande war. Doch das behielt ich schön für mich.
    »Die meisten von euch werden heute zu Streifenpolizisten ernannt werden, aber es gibt noch ein paar Sonderposten zu besetzen. Ich sehe hier einige Feuerwehrmänner. Donnell, Brick, Walsh und Doyle, ihr werdet als Verbindungsmänner für den Feuerschutz eingesetzt, und ich werde noch ein paar weitere Männer dafür benennen. Spricht hier jemand Flash?«
    Die Reaktion verblüffte mich – Dutzende Hände schnellten in die Höhe, vor allem bei den besonders brutal wirkenden amerikanischen Rowdys, den tätowierten Briten und den Iren mit den meisten Narben. Die Deutschen hielten sich fast durch die Bank zurück. Plötzlich lag Gewitter in der Luft, Blitz und Donner. Was auch immer das für Sonderposten sein mochten, sie waren offensichtlich der kürzeste Weg in den Untergrund von New York.
    »Seien Sie doch nicht so bescheiden, Mr. Wilde«, setzte Matsell milde hinzu.
    Entsetzt starrte ich ihn unter meiner Hutkrempe hervor an. Einen Augenblick zuvor hatte ich mich noch vollkommen unsichtbar gefühlt, doch da hatte ich mich anscheinend geirrt.
    Flash ist der merkwürdige Dialekt, der von Dorfdruckern gesprochen wird, von Gimpelrupfern, von Treppenschleichern, kiebigen Kafern, Buttschnurern, Derechgambersern, Kaspern, Rauschgiftsüchtigen und – von Valentine. Ich habe sagen hören, die Sprache komme von der britischen Gaunersprache, aber Teufel auch, wie soll ich das vergleichen. Es ist eigentlich gar keine Sprache – eher ein Code . Man ersetzt einfach Wörter aus der Alltagssprache durch andere, wenn man nicht will, dass der bebrillte Buchhalter neben einem alles versteht. Natürlich sind esmeistens arme Männer und Frauen, die so reden. Da wächst eine Straßenjugend heran, die oft gar nichts anderes dibbern kann als dieses Kauderwelsch. Und immer mehr ehrbare Leute verwenden im Alltag, ohne es zu wissen, Begriffe aus der Gaunersprache wie etwa »Kluft« oder »Bammel«, aber das sind nur Dilettanten. Matsell hatte ein höheres Maß an Fachkompetenz im Auge.
    Und nicht genug damit, dass jetzt sämtliche Ganoven und Raufbrüder dasaßen und mich anstarrten – mir war auch völlig unklar, wie Matsell überhaupt erraten hatte, wer ich war, schließlich war nur der untere Teil meines Gesichts sichtbar.
    »Ich bin kein bisschen bescheiden, Sir«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie Ihren eigenen Bruder nicht verstehen, oder dass Captain Valentine Wilde vom Achten Bezirk gelogen hat, als er sagte, Sie wären mein fähigster neuer Rekrut?«
    Captain Wilde. Natürlich. Die gleichen jugendlichen Züge, die gleiche schlammblonde Haarfarbe, allerdings deutlich kleiner und mit bloß drei Vierteln des Gesichts. Ich biss so heftig die Kiefer aufeinander, dass die wunde Haut unter dem dünnen Verband zu pochen begann. Typisch Val. Nicht genug damit, dass er mir einen Posten besorgte, für den ich nicht geeignet war und den ich gar nicht haben wollte. Nein, es musste mir auch jeder

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