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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Elizabeth Street und bei Mrs. Boehms Bäckerei anlangte.
    Dann rannte mir etwas Weiches und von Panik Erfülltes direkt gegen die Knie.
    Meine Hände packten den Arm des kleinen Mädchens, noch ehe mein Hirn überhaupt registriert hatte, dass ich mit einem Kind zusammengeprallt war. Und das war gut so, denn die Kleine zog gerade an ihren Haaren, zerrte an einer Strähne, die sich aus dem Knoten auf ihrem Kopf gelöst hatte, und wäre sonst wohl auf die schmutzigen Pflastersteine gefallen. Als ich sie wieder aufrecht hinstellte, sah sie mich an, als befinde sie sich auf einem Schiffsdeck mitten auf dem Fluss. Nicht ganz anwesend. Nicht ganz da, noch nicht . In einem Zwischenreich.
    Dann bemerkte ich, dass das Mädchen ein Nachthemd trug, das entweder mit Teer oder mit Blut bespritzt war. Und zwar mit sehr viel davon.
    »Mein Gott«, murmelte ich, »bist du verletzt?«
    Sie antwortete mir nicht, aber das eckige Gesichtchen war mit irgendetwas anderem als mit Wörtern beschäftigt. Ich glaube, sie versuchte, nicht zu weinen.
    Vielleicht wäre ein professioneller Polizist, wie es sie etwa in London gibt, gleich mit ihr zurück in die Tombs gegangen und hätte sie zur Vernehmung gebracht, auch wenn er keinen Dienst mehr hatte. Das ist möglich. Vielleicht hätte ein professioneller Polizist sie sofort zu einem Arzt gebracht. Ich weiß es nicht. Es dürfte mittlerweile klar geworden sein, dass in New York City nicht allzu viele professionelle Polizisten herumliefen. Aber selbst wenn es welche gegeben hätte – ich war mit ihnen fertig, und zwar für immer und ewig. Aidan Rafferty war mittlerweile schon begraben, und seine Mutter in den Tombs in gewissem Sinne ebenso; ich war ein Mann, der es gewohnt war, für den doppelten Lohn Gin in ein Glas einzuschenken; und die Polizisten mit ihren Kupfersternen konnten sich von mir aus zum Teufel scheren.
    »Komm mit mir«, sagte ich. »Jetzt bist du in Sicherheit.«
    Ich hob sie sanft auf. Solange ich sie auf dem Arm hatte, kam ich nicht an meinen Schlüssel heran. Aber zum Glück hatte Mrs. Boehm mich schon durchs Fenster gesehen und stand in der offenen Tür. Sie hatte den Morgenmantel fest um ihre dürre Gestalt gewickelt, ihr Gesicht spiegelte blanke Verwunderung.
    »Guter Gott«, stieß sie hervor.
    Sie lief zu dem Kamin bei den Backöfen und schürte das Feuer, als ich mit dem verletzten kleinen Mädchen ins Zimmer trat. Dann griff sie nach einem Eimer, um Wasser von der Pumpe zu holen.
    »Da sind saubere Lappen in der Ecke«, sagte sie, während sie zur Tür eilte, »für die Brotlaibe.«
    Ich setzte das Mädchen auf einen mehlbestäubten Schemel. Mrs. Boehm hatte die Lampe auf dem breiten Arbeitstisch stehen lassen, denn der Mond stand hoch, und die Pumpe befand sich gleich vor dem Haus. In dem helleren Licht war jetzt klar zu erkennen, dass der riesige Fleck auf dem Hemd des Mädchens nichts anderes sein konnte als Blut.
    Der Blick ihrer grauen Augen irrte so nervös umher, dass ich ein wenig zurücktrat, nachdem ich sie auf den Stuhl gesetzt hatte.Ich holte ein paar saubere Baumwolltücher von dem Stapel in der Ecke.
    »Kannst du mir sagen, wo du verletzt bist?«, fragte ich ruhig.
    Keine Antwort. Mir kam ein Gedanke.
    »Sprichst du Englisch?«
    Das machte sie ein wenig munterer, denn sie gab schnippisch zurück: »Was sollte ich denn sonst sprechen?«
    Akzentfreies Englisch. Nein, akzentfrei klang es für meine Ohren. Also New Yorker Englisch.
    Ihre Arme begannen heftig zu zittern. Mrs. Boehm kehrte mit langen Schritten zurück und setzte einen Kessel mit Wasser auf. Während sie etwas vor sich hin murmelte, zündete sie zwei weitere Lampen an, die die Bäckerei in ein karamellfarbenes Licht tauchten. Als ich das Mädchen daraufhin ein wenig eingehender betrachtete, fiel mir etwas Eigenartiges auf.
    »Mrs. Boehm«, rief ich.
    Wir zogen dem Mädchen das Hemd aus, so vorsichtig und langsam, wie wir nur konnten. Sie wehrte sich nicht. Wenn sie einen Muskel rührte, dann nur, um uns zu helfen. Als Mrs. Boehm mit einem warmen, nassen Lappen über die leicht sommersprossige Haut des Kindes fuhr, stellte sich meine Ahnung als wahr heraus.
    »Sie hat keinerlei körperliche Verletzungen«, sagte ich verwundert. »Schauen Sie nur. Es ist nur das Nachthemd. Es ist voller Blut, aber sie selbst hat keinen Kratzer abbekommen.«
    »Sie werden ihn in Stücke reißen«, flüsterte das kleine Mädchen mit Tränen in den Augen. Und dann fing ich sie ein zweites Mal auf, wobei meine Arme

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