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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Wilde«, antwortete er trocken, »aber vielleicht denken Sie über das Wort unmöglich anders, wenn ich Ihnen sage, dass wir bislang neunzehn ausgegraben haben.«
    Ich machte ein Geräusch, das eigentlich gar keins war. Dann räusperte ich mich. Mein Blick zuckte über die Szenerie. Die Säcke, die weißen Knochen, die Knochen, die noch nicht weiß waren, an denen noch Fleischfasern hingen. Ein paar Planen waren ausgebreitet, darauf lagen einzelne Teile. Nichts ergab einen Sinn, am allerwenigsten das Gespräch, das ich gerade führte.
    »Könnten wir uns nicht verzählt haben? Einige von ihnen ... einige von ihnen sind sehr ... sehr fragmentarisch, Sir.«
    »Köpfe, Wilde«, sagte Polizeichef Matsell angewidert. »Wenn Sie im Zählen so gut sind wie in der Gaunersprache, fordere ich Sie auf, sich doch einmal im Köpfezählen zu versuchen. Piest!«, rief er.
    Mr. Piest eilte zu uns herüber und wirkte im Licht der Fackeln und der sich ausbreitenden Dunkelheit eher wie eine Spinne als wie ein Krebs. Sehr freundlich von ihm, dachte ich bei mir, darüber hinwegzusehen, dass ich wahrscheinlich aussah, als habe mir gerade jemand ins Gesicht geschlagen. Das war nachbarschaftlich gedacht.
    »Finden Sie etwas für mich«, sagte Matsell herzlich zu Piest.
    »Gern, Sir. Was soll ich denn finden?«
    »Egal was. Das sind Leichen. Alles nur zerhackte Leichen. Mehr als nutzlos, für mich die reine Zeitverschwendung. Nicht identifizierbares Material für den nächsten Töpfersacker. Finden Sie mir ein Medaillon, den Handgriff eines Spatens, ein Stück von einer Zeitung, einen rostigen Nagel, einen Hemdknopf. Ein Hemdknopf wäre zauberhaft. Finden Sie irgendetwas .«
    Piest drehte sich um, und fort war er.
    »Wilde«, sagte der Polizeichef langsam, »erzählen Sie mir, wie Sie es anstellen wollen, dieses Problem zu lösen. Denn ab sofort sind Sie dafür zuständig, es für mich zu lösen.« Er hielt inne, fuhr sich mit den Fingern über die Kinnbacken und sah mir dabei mit der wilden Entschlossenheit eines Admirals, der einen tödlichen Angriff vorbereitet, ins Gesicht. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so angesehen worden, wie ein Mann, der mit einer Mission beauftragt wurde, und ich hielt ein wenig den Atem an, als er fortfuhr. »Noch habe ich Sie nicht von vorn bis hinten gelesen. Ich denke, Sie werden mich noch überraschen. Sie können gern gleich damit anfangen.«
    Es fühlte sich an wie eine Mutprobe. Und so wagte ich den Sprung ins kalte Wasser.
    »Ist das Treffen der Demokraten schon vorüber?«, fragte ich.
    »Vielleicht seit einer Stunde.«
    »Dann werde ich Captain Wilde, sofern Sie es gestatten, über die jüngsten Ereignisse unterrichten. Und Madam Marsh in seiner Gegenwart vernehmen. Ich muss das Terrain erst einmal einzuschätzen lernen und möchte nicht ohne Führer in ihr Bordell hineinspazieren.«
    »Weise Voraussicht.« Matsell rieb sich weiter mit einer Hand über das zerfurchte Gesicht, dass die Speckfalten aufeinanderschlugen. »Ja, tun Sie das, suchen Sie Ihren Bruder und sagen Sie ihm, dass ich ihn um sechs Uhr morgen früh in meinem Büro sehen will. Dieser Fall muss streng geheim gehalten und als Notstand behandelt werden. Warum jemand auf diese Weise Kinder abschlachtet, vermag ich nicht zu ergründen, aber wir werdenherausfinden, wer es war, bei Gott, und diese Person wird beim Mittagsläuten in den Tombs hängen. Machen Sie schnell. Und gehen Sie keinesfalls ohne Begleitung von Captain Wilde zu Silkie Marsh.«
    »Weshalb nicht, Sir?« Zweifel erwachte in meiner Brust.
    »Weil«, erwiderte der Polizeichef mit einem Lächeln, als er sich umwandte, um nach der Fackel zu greifen, die ihm jemand hinhielt, »er der einzige Mann ist, der mit ihr geschiebert hat und trotzdem lebend und im Vollbesitz aller Kräfte ihr Haus wieder verließ.«
    *
    Ein Ziel zu verfolgen, gibt einem Mann Halt. Ich fühlte mich besser, sobald ich hinter dem schwer geprüften Pferdegespann saß, das jetzt wieder komplett war und, von seinem rechtmäßigen Besitzer gelenkt, die Droschke gen Süden zog. Es war eine Sommernacht, in der das heraufziehende Gewitter den Himmel seiner Sterne beraubt hatte, und ich fand Valentine genau dort, wo er es mir gesagt hatte, im Liberty’s Blood, wo er wie üblich im rückwärtigen Teil Hof hielt, fernab der überfüllten Sitzecken und Bänke und der vielen schmuddeligen amerikanischen Flaggen. Dort lag er mit halb aufgeknöpftem Hemd auf einem Diwan ausgestreckt, nippte an irgendeinem Gift,

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