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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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brachte, sie könnte früher in den oberen Rängen des Bowery Theatre ihrem Gewerbe nachgegangen sein. Reichlich Rouge, aber geschickt aufgetragen. Veilchenduft umwehte sie wie ein Frühlingsbouquet. Sie stand da, hatte den weißen Arm über ein Rosenholzklavier drapiert, auf der Seite mit den hohen Tönen, in der anderen Hand hielt sie einen Champagnerkelch. Wenn man sie direkt ansah, konnte man sie für schön halten. Betrachtete man sie aber durch einen Spiegel, sah man, dass sie es nicht war. Nicht in derselben Weise wie Mercy mit ihren zwei oder drei makellosen Schönheitsfehlern. Silkie Marsh hatte mittsommerblondes, locker hochgestecktes Haar und feine Gesichtszüge, alles sehr ebenmäßig, weiblich und zerbrechlich, von einer Sanftheit, die Mercy nicht besaß, und ihr Mund glich einem hingehauchten Kuss. Doch betrachtete man sie im Spiegel, war sie eine Verkörperung theoretischer Schönheit, aber keine wirkliche Schönheit. Die braunen Augen mit der blauen Mitte blickten gleichgültig, der Mund war verzogen zu einem Lächeln, das nichts und niemandem galt, erstarrt in der kraftlosen Bemühung, angenehm zu wirken. Ein Anblick, der niemandem dauerhaft Vergnügen bereitete.
    Im Spiegel konnte man auch sehen, dass es ihr an jeglichem menschlichem Mitgefühl gebrach. Dieses kleine Band, das einen mit Fremden und Bekannten verbindet, war bei ihr einfach glatt durchtrennt. Ich erinnerte mich wieder, wie Birds Gesicht ganz weiß wurde.
    Sie ist hier, nicht wahr? Sie hat mich gefunden.
    »Ich weiß nicht recht, ob ich mich nun geschmeichelt fühlen soll, dass Sie mich so unerwartet besuchen kommen, oder ob ich mich ärgern soll, weil Sie mir keine Zeit gelassen haben, mich für heute Abend von allen anderen Verpflichtungen freizumachen«, sagte sie zu meinem Bruder.
    Ich hatte Val gezwungen, zwei große Krüge lauwarmen Kaffee mit einem Schuss Brandy hinunterzustürzen und den Kopf unter den kalten Strahl einer Wasserpumpe zu stecken, bevor ich seinen Polizeistern an seiner bestickten Weste befestigte. Er sah immer noch aus wie die Schneide eines Sägemessers, seine Finger zuckten wie eine zertretene Spinne. Aber davon einmal abgesehen und sogar davon, dass er den Körper eines Feuerwehrmanns hatte und das umtriebig-fröhliche, apfelwangige Gesicht eines Straßenkindes, war etwas an ihm, wie er so in Silkie Marshs Salon saß, das den Blick auf sich zog. Ich fragte mich, was das war.
    »Oder möchten Sie gar nicht, dass ich mir Zeit für Sie nehme?«, fragte sie kokett.
    Am Ende sagte ich mir, dass Valentine genauso aussah wie immer. Ich hatte mich bloß noch nie im selben Raum mit jemandem befunden, der in ihn verliebt war. So einfach war das.
    »Wir sind aus beruflichen Gründen hier und nicht zum Vergnügen, meine liebe alte Fregatte«, antwortete Val fröhlich, während sie jedem von uns ein Glas Champagner reichte. »Ich mache jetzt neben der Brandbekämpfung auch noch Polizeimaloche, und die führt uns her. Tim ist auch unter die Schucker gegangen.«
    »Ich bin sehr erfreut, endlich die Bekanntschaft von Vals Bruder zu machen«, sagte sie mit einem berechnenden Lächeln. »Er spricht so oft von Ihnen.«
    Das jagte mir einen solchen Schrecken ein, dass ich nichts darauf erwidern konnte.
    »Und deshalb bin ich hier – um zu helfen«, fuhr Val fort. »Na los, spuck’s aus, was können wir für dich tun?«
    Silkie Marsh neigte ihr Engelsköpfchen zur Seite. »Danke, aber ich verstehe nicht recht.«
    »Deine Schratzen. Einer von ihnen wurde gedalcht. Und ich bin hier, um dir zu helfen.«
    Ihr hübscher Mund öffnte sich leicht und verzerrte sich dann schockiert. »Wollen Sie sagen, dass ... nein, das ist zu furchtbar. Ich vermisse keine meiner Schwestern, aber unser Page Liam ist uns davongelaufen. Wurde er von jemandem gefunden?«
    »Oh ja, und wenn wir herausfinden, wer ihn als Erster gefunden hat, dann wartet auf den Kerl der Galgenstrick, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Mein Gott«, stieß sie hervor und packte Val beim Arm. Was für ein armseliger, vorgeschobener Vorwand, meinen Bruder anzufassen, dachte ich bei mir. »Wir machten uns solche Sorgen um ihn, beteten aber für seine Rückkehr«, setzte sie hinzu.
    »Und dieser ... Page«, sagte ich, »seit wann vermissen Sie ihn?«
    »Seit bestimmt einer Woche.«
    Jetzt wusste ich, dass sie uns an der Nase herumführte, denn mein Zusammenstoß mit Bird in der Elizabeth Street war erst vierundzwanzig Stunden her, und ich hatte erst heute Morgen von Liams

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