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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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hereinbrechen würde, sah Pfarrer Sheehy mich höchst interessiert an. »Ich möchte wirklich wissen, wie es Ihnen gelungen ist, Silkie Marsh, dieser Teufelin, ihr Eigentum zu entreißen, noch dazu, wo Ihr Bruder der beste Advokat dieser Teufelin ist.«
    Er winkte mir, ihm zum nächsten Eingang von St. Patrick’s zu folgen, in der einen Hand hielt er einen eisernen Schlüssel, in der anderen eine Laterne. Ich war nur zu gern bereit, ihm alles zu erzählen, und das tat ich denn auch, allerdings ohne große Kunstfertigkeit. Meine Gedanken wollten in hundert verschiedene Richtungen zugleich. Ich wollte wissen, was Matsell dachte, ob Piest nun einen Knopf gefunden hatte, und falls ja, was zum Teufel das bedeutete, ob Birds Blick jetzt nicht mehr so wirkte, als hätten sich zahllose Schleier darüber gelegt. Pfarrer Sheehy erstarrte kurz über der Truhe mit den gespendeten Kleidern, als ichdas Wort neunzehn sagte, doch darüberhinaus gab er nichts von seinen Gefühlen preis.
    »Eines sollen Sie wissen«, sagte er langsam, während er ein Kleidchen und eine kleine blaue Hose zusammenlegte. »Wenn Sie meine Hilfe brauchen, können Sie auf mich zählen. Und Sie werden meine Hilfe brauchen, fürchte ich. Das ist ein Fässchen Schießpulver, das man auf einen Scheiterhaufen geworfen hat.«
    Unter der Maske aus Stoff zuckte mein Gesicht und brannte ein wenig, als stimmte es ihm zu. »Nun ja, aber warum sagen Sie das so?«
    »Weil ich fürchte, Mr. Wilde, man könnte Ihnen diesen Fall jeden Augenblick entziehen.«
    Ich fürchtete nichts dergleichen – mir war es nicht einmal in den Sinn gekommen, dass so etwas geschehen könnte. Ich spürte, wie mir die Hitze in den Hemdkragen stieg. Es fühlte sich an, als hätte er mich beleidigt, dabei hatte er das gar nicht.
    »Die Polizei soll den Tod von zwanzig Kindern unaufgeklärt lassen? Da sind wir aber aus härterem Stoff gemacht, möchte ich doch hoffen. Auch wenn wir uns noch nicht beweisen konnten.«
    Pfarrer Sheehy ließ mit einem entschlossenen Knall die Truhe zufallen, stützte sich mit beiden Händen darauf und sah mich an. »Nicht zwanzig Kinder. Zwanzig katholische Kinder, die kein Mensch vermisst hat. Solange dieser Fall lösbar erscheint, und solange das alles mit der Politik der Demokraten konform läuft, sind Sie ein Mann mit einer ernsten, respektgebietenden Mission. Doch weder George Washington Matsell noch Valentine Wilde werden es dulden, dass man die frisch aus der Taufe gehobene Polizeieinheit öffentlich demütigt, noch werden es die Demokraten zulassen, dass diese undankbare Aufgabe ihnen Nachteile einbringt.«
    »An dem Tag, an dem mein Bruder und Polizeichef Matsell mir den Fall entziehen, werde ich auch Zeuge sein, wie der Papst und Präsident Polk einander vor einer jubelnden Menge die Hand schütteln«, sagte ich mit vor Empörung dunkler Stimme, die mir wie billiger Pfeifentabak in der Kehle brannte.
    »Ich wollte Sie nicht kränken. Was Seine Heiligkeit Papst Gregor XVI . angeht, so wären zweifelsohne die meisten Bewohner von Gotham überrascht zu erfahren, dass er mit der Bekämpfung des Sklavenhandels, des modernen Eisenbahnsystems und der Terroristen im Kirchenstaat viel zu beschäftigt ist, um sich überhaupt viele Gedanken über Amerika zu machen«, setzte er knochentrocken hinzu.
    »Ich fühle mich nicht gekränkt«, sagte ich kurz. »Was soll jetzt mit Neill und Sophia geschehen?«
    »Ich werde zusehen, dass ich ein Zuhause für sie finde, ein besseres als das letzte, so Gott will, und sie noch heute Nacht in die Römisch-Katholische Schule für Waisenkinder bringen. Aber ich warne Sie: Es gibt Männer in dieser Stadt, die nur einen Gott gelten lassen, und das ist der Gott der Protestanten. Die Erfahrung werden Sie schon bald machen.«
    »Das weiß ich längst. Aber Sie werden bald die Erfahrung machen, dass es in dieser Stadt Männer gibt, die sich um das Recht mehr sorgen als um Gott.«
    »Das sind wohl verschiedene Dinge, Recht und Gott?«, fragte er listig.
    Meiner Ansicht nach schon. Aber sich mit einem Priester darüber zu streiten, wäre vergebliche Liebesmüh.
    Draußen vor den bleiverglasten Fenstern war der Sturm losgebrochen, dicke Tropfen wuschen das schweißige Gefühl fort, das in der Luft gehangen hatte. Ein Wolkenbruch von der Art, die nie lange dauert, donnernd auf die Erde herabstürzt und nur deshalb willkommen geheißen wird, weil man endlich nicht mehr voller Spannung darauf warten muss. Das gleiche Gefühl wie nach einer

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