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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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und schnitt ein hübsches Muster in die Brotlaibe, die Hitze des Ofens ließ ihr dunkelblaues Baumwollkleid an ihren kolibrikleinen, vibrierenden Brüsten kleben. Die Mundwinkel waren immer noch auf Halbmast.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte ich sie und legte einen kleinen weißen Zuckerhut, eingeschlagen in lila Papier, auf den Tisch. Ein Friedensangebot, das den kriegerischen Konflikt abwenden sollte.
    »Danke«, sagte sie überrascht. »Nein.«
    Es hatte einen Zwischenfall mit einem Knethaken gegeben, den Bird Mrs. Boehm hatte benutzen sehen, kurz bevor ich am Morgen das Haus verlassen hatte. Ich hatte noch nie jemanden auf diese Art schreien hören. Als könnte der Laut alles andere auslöschen, alles unter seiner Geräuschflut weiß werden lassen. Es war noch mehr Geschirr in Scherben gegangen. Dann war Bird verstummt, und das war am Ende noch schlimmer.
    »Vielleicht reden Sie mal mit ihr.«
    »Ich werd’s versuchen.« Ich drehte mich um, um die Treppe hinaufzusteigen.
    »Gut. Und wenn Sie es versucht haben, und sie ist immer noch so still, dann versuche ich es noch einmal.«
    »Wie geht es voran in Licht und Schatten in den Straßen von New York ?«, fragte ich neckend über die Schulter.
    Das Nudelholz, das sie gerade gehoben hatte, erstarrte mitten in der Luft.
    »Keine Sorge, ich lese das selbst gern«, versicherte ich ihr. »Meine Lieblingsgeschichte ist die, in der der Mörder die Leiche auf einer Schaufläche im Barnum’s American Museum versteckt. Die ist großartig.«
    Ihre Lippen öffneten sich, und dann riskierte sie einen verschmitzten Blick unter ihren kaum sichtbaren Wimpern hervor. »Vielleicht ist ja eine Küchenmagd von einem Grafen verführt worden, der zu Besuch war, vielleicht aber auch nicht. Wenn ich solche Sachen lesen würde, dann wüsste ich es.«
    »Prima«, sagte ich mit einem Grinsen und stieg die Treppe hoch.
    Ich ging in Mrs. Boehms Schlafkammer, aber Bird, die heute Morgen so still gewesen war, dass man die aufgewühlte Strömung unter dem überfrorenen See hatte sehen können, war nicht dort. Ich lief in mein eigenes Zimmer, voller Furcht, sie könnte so schnell und lautlos aus dem Fenster geflogen sein, wie sie gegen meine Knie gerannt war.
    War sie aber nicht. Bird lag in ihrer langen Bluse und ihren Jungenhosen auf dem Bauch, ein Stück Kohle in der Hand. Sie hatte eine meiner vielen sehnsuchtsvollen Zeichnungen von Fährbooten von der Wand genommen und zeichnete etwas dazu. Schlangengleiche Formen, die ein Boot aus dem Wasser heraus bedrohten, ein Falke in einem Baum. Entweder hatte der Falke sich gerade sein Abendessen erjagt, oder eine weitere Schlange zwängte sich die Kehle des Raubvogels hinunter. Als ich hereinkam, sah Bird mich an, schuldbewusst, weil sie meine Kunst neu interpretierte.
    Ich nahm mir auch ein Stück Kohle.
    »Ich muss gleich wieder weg«, sagte ich und fügte den eingezogenen Krallen des Falken einen Schatten hinzu.
    Bird nickte, und ihr krummer Rücken wirkte nicht mehr ganz so sehr wie ein Schildkrötenpanzer. Eine Weile schwiegen wir. Ich hatte beschlossen, ihr nichts von der Flucht ihrer Freunde zu sagen, noch nicht. Ich wollte den Namen Silkie Marsh nicht aussprechen. Sie würde davon erfahren, sobald die Bilder der Leichen aus ihren Augen verschwanden.
    »Wie sieht Ihr Gesicht eigentlich im Ganzen aus?«, fragte sie plötzlich.
    Ich erstarrte einen Augenblick zu brüchigem Glas.
    Doch dann nahm ich den Hut vom Kopf und dachte bei mir: Das ist immer noch besser, als wenn Val es mir eines Tages runterreißt, wenn der Schnaps ihn garstig macht und die Wirkung des Morphiums nachlässt.
    Besser, als es allein zu tun. Vielleicht.
    »Das kannst du mir ja sagen, magst du?«, schlug ich vor. »Ichhabe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wie ich ausschaue. Und das liegt mir auf der Seele.«
    Bird richtete sich auf, so dass sie kniete. Da ich auch auf dem blanken Boden saß, musste sie keine großen Verrenkungen machen, um den Maskenstreifen abzunehmen und das Stück eingeölte Gaze von meinem Gesicht abzuziehen. Sie ließ den Stoff zu Boden fallen.
    Und dann rannte sie aus dem Zimmer.
    Ich fühlte plötzlich eine Woge der Angst und des Elends heranrauschen, eine von denen, die einen wegspülen können, selbst wenn man sich für einen Mann hält. Aber dann kam Bird mit einem Handspiegel aus Mrs. Boehms Schlafkammer wieder ins Zimmer gestürmt und hielt ihn mir hin.
    »Sie sehen aus wie ein richtiger New Yorker Rowdy, Mr. Wilde. Wie ein echter Raufbruder. Wie

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