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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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dass es sich um den Antichrist handelt, von dem Daniel und Johannes sprachen, insofern, als seine Heraufkunft der Darstellung der Propheten entspricht, und nichts sonst der Definition des Antichristen näher kommt.
    Amerikanische Protestanten zur Verteidigung
    der Bürgerlichen und Religiösen Freiheit
    gegen den Vormarsch des Papsttums, 1843.
    Ich erwartete fast, dass er ... ich erwartete nichts Gutes. Und so fand ich Val vor, als ich in seine Wohnung in der Spring Street hineinplatzte: Er trug nichts als Unterwäsche am Leib, aber diesmal war ein umwerfend schönes irisches Mädchen bei ihm, deren rotes Haar sich über das weiße Kissen ergoss (sie war natürlich völlig nackt, die Haut blass wie Hundezähne), und es lagen folgende Gegenstände um sie herum: drei unterschiedlich geformte Pfeifen, ein Beutel mit etwas, das wie getrocknete Pilze aussah, ein braunes Fläschchen mit der Aufschrift »Morphium-Tinktur«, eine ungeöffnete Flasche Whiskey, ein halber Schinken.
    »Val«, sagte ich ohne Scheu, ihn zu verärgern, »wirf die Musche raus.«
    »Wieso sollte ich? Allein schon der Gedanke!«, murmelte Val halbherzig.
    Es gelang mir recht schnell, die Straßenläuferin aus der Tür zu bekommen und meinem Bruder eine Tasse Kaffee einzuflößen. Es fiel ihm schwer, die Tasse zu halten. Er hätte mir leidtun können,wie er so dasaß in seiner Leinenunterhose und mit sich rang, um sich nicht die Seele aus dem Leib zu kotzen, hätte ich nicht gewusst, dass er für seinen Zustand ganz und gar selbst verantwortlich war.
    »Ich habe einen Brief geschickt bekommen«, sagte ich unfreundlich.
    »Na und?«
    »Er ist nicht für mich, er ist für dich.«
    »Ach ja? Wieso?«, fragte er unter heftigem Husten. »Hat der Absender Timothy vielleicht mit V-A-L buchstabiert?«
    »Wie schön, dass du noch imstande bist, deinen eigenen Namen zu buchstabieren. Kannst du auch lesen oder brauchst du Hilfe?«
    »Lies ihn mir vor. Aber schnell. Dann bist du umso schneller wieder weg.«
    Also las ich ihn vor. Spätestens bei den falsch geschriebenen Kattolicken war sein Interesse geweckt. Als ich fertig war, presste er die Finger auf die Tränensäcke unter seinen Augen und streckte die rechte Hand aus.
    »Reich ihn mir rüber, du cleverer junger Kupferstern.«
    Das tat ich. Valentine nahm den Brief und hielt ihn ins Licht, das vom Fenster kam. Dann ließ er ihn wieder sinken und holte eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche seines Gehrocks, der über der Stuhllehne hing. Er zündete mit dem Daumennagel eines der Streichhölzer an und hielt es mit Bedacht an das Papier.
    »Hör auf!«, schrie ich und versuchte, mir den Brief zu schnappen.
    Val riss seine Hand fort und sprang zu meiner unendlichen Überraschung auf die Füße. Einen Augenblick zuvor hätte ich geglaubt, er sei zu so etwas gar nicht in der Lage, aber jetzt reckte ich mich erfolglos nach dem Brief hoch über seinem Kopf und musste zusehen, wie er verbrannte. Manchmal kann ich Val besiegen, wenn er noch von der Nacht zuvor einen Kater hat. Manchmal. Er ist nicht nur größer als ich, er ist auch schneller. Ich fühlte mich wieder wie damals, als ich sechs war und er zwölf und ereine harmlose Ringelnatter gefangen hatte, die er mit dem Kopf gegen einen Baumstamm schmettern wollte. Die Schlange hat das Abenteuer nicht überlebt.
    »Was willst du denn?«, fragte Valentine und sah gebannt zu, wie die Flammenfedern sich ausbreiteten. Seine Besessenheit, was Feuer angeht, macht mich ganz krank. »Das ist überhaupt nicht gut für uns, Tim.«
    Ich versuchte es auf einem anderen Weg, als ich sah, dass die Papierfasern zu Aschestreifen verglüht waren. »Aber ist das nicht ein Beweis ?«
    »Gut möglich«, gab er fröhlich zu. »Aber ich denke, du wolltest sagen: War das nicht ein Beweis? Denn jetzt ist es Schall und Rauch.«
    »Glaubst du nicht, der Mörder könnte es geschrieben haben?«
    »Diesen Haufen schwachsinnigen Plunder? Nein. Du etwa?«
    »Wahrscheinlich nicht«, knurrte ich, »aber wie wollen wir herausfinden, wer es geschrieben hat, wenn es nicht mehr da ist?«
    Mittlerweile war der Brief tatsächlich nicht mehr da. Val hatte sich wahrscheinlich etwas seinen Daumen verbrannt, zeigte es aber nicht. Er strich sich lediglich seidendünne Rußteilchen aus den Haaren.
    »Ist es nicht egal, wer ihn geschrieben hat?«, fragte Valentine.
    »Wer immer ihn geschrieben hat, er wusste von den toten Kindern!«
    »Ah.« Er lächelte. Der Halunke hatte sich wieder vollkommen im Griff.

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