Der Teufel von New York
sechsundzwanzigsten August, stieg ich die Treppe hinunter und setzte mich an Mrs. Boehms Tisch. Nun, da man mir die Ermittlung im Fall des Massengrabes anvertraut hatte, stand ich erst um sieben Uhr auf, um Leute zu befragen, die gar keine Fragen gestellt bekommen wollten. Die Backstube war leer, denn Mrs. Boehm machte oft morgens Auslieferungsrunden. Und da Bird jetzt so viel schlafen durfte, wie sie wollte, schlief sie wie ein Champion, der um einen Titel kämpft.
Daher wurde ich nur von der Post begrüßt, die Mrs. Boehm neben mein Exemplar des Herald gelegt hatte, und dem Brötchen, das ich mir morgens immer von ihr zurücklegen ließ. Schnell überflog ich die Schlagzeilen und fand das Massengrab mit keinem Wort erwähnt. Dann griff ich nach dem Umschlag, auf dem geschrieben stand: Mr. Timothy Wilde, Polizeidiener, Bäckerei in der Elizabeth Street , und öffnete ihn.
Mr. Wilde!
Da gibt’s läute die sagen wenn man die Iren was lerrnen lesst das is wie pärlen vor die Säue geschmissn. Sind die erst mal gebildet dann halten die sich für was bessres aber sie sind weiße Nigger und sonst nix. Hier haben Sie nun einen Iren der sagt das is nich recht und Sie sehn ja auch, dass ich nun Gottes werk verrichten tu und gebilldet genug bin dass ich ihnen diesen brif schreiben kann.
Die Kattolicken drückt schon fiel zu lange der Stifel der Prottestanten im Nacken. Aber die Schweche ligt bei uns und ich weiß auch woher das kommt. Kinderhuhren sind eine Abschäulichkeit gegen di Dreifalltigkeit und das mus streng beschtraft werden. Die Schuld ligt bei den Iren und die Sünde komt von den Iren und so kann in Gottes augen nur ein Ire uns reinwaschen von unserm Schmutz. Unser Papst, gebenedeit sei Er, ruft nach der flinken hand der rache denn nur wenn wir rein sind dann sind wir auch würdig das zu ferlangen was Unser ist und New York den händen der Heiligen Römischen Kirche zu übergeben. So hab ich die toten kleinen die oben im norden der Statt begraben sind mit dem Zeichen des Kreuzes versehn. Für eine andere Behandlung warn die nicht würdig und wisset für diese aufgabe wurde ich auserkoren.
Die Hand des Gottes von Gotham
Ich muss sagen, ich war nicht mehr so fassungslos gewesen seit ... na ja, seit drei Tagen.
Das war der lächerlichste Brief, den ich je gesehen hatte.
Bildete der Verfasser dieses absurden Machwerks sich tatsächlich ein, er könne mich glauben machen, es sei ein und derselbe Mann, der schrieb » da gibt’s läute die sagen « und kurz darauf dann » Die Kattolicken drückt schon fiel zu lange der Stifel der Prottestanten im Nacken «? Barkeeper wissen, wie normale Menschen sich ausdrücken, und nicht einmal ein Verrückter würde so verqueres Zeug daherfaseln. Bildete sich dieser ausgemachte Schwachkopf ein, ich könnte glauben, irgendein Ire würde Kindermetzen umbringen, um einen politischen Umsturz herbeizuführen? Hielt er mich für naiv genug, zu glauben, der Papst könne Feuer speien und wolle die Spanische Inquisition wieder einführen? Was für ein Hornochse musste man sein, um einen Brief mit »Die Hand des Gottes von Gotham« zu unterzeichnen und zu erwarten, dass ich, ein geborener Amerikaner, mich nun vor einem irischen Stiefel im Nacken fürchtete?
Ich klopfte mit dem wieder zusammengefalteten Papier neben meinem rasch abkühlenden Kaffee auf den Tisch. Zwei Fragen lasteten mir auf der Seele:
Erstens: Wie in drei Teufels Namen hatte dieses blökende Schaf etwas von dem Leichenversteck erfahren? Und zweitens: Weshalb zum Kuckuck hatte er diesen erbärmlichen Brief an mich geschickt? Jeder Polizist mit Sternabzeichen hätte ihn schreiben können, schoss es mir keine drei Sekunden später durch den Kopf. Und sollte es sich um einen der wenigen Nativisten unter den Polizisten handeln, der die antikatholische Stimmung anzuheizen versuchte, so zweifelte ich nicht daran, dass Matsell ihn auf die eine oder andere Weise aus den Lumpenschütteln würde. Aber vielleicht war es gar kein Polizist. Nachdem ich den Brief noch einmal überflogen hatte, brauchte ich genau vier Sekunden, um zu begreifen, warum ausgerechnet mein Name auf dem Umschlag stand. Ich sollte der Demokratischen Partei eine Nachricht übermitteln.
»Gott verfluche dich, Valentine Wilde«, sagte ich laut, stopfte das kranke, verdrehte Machwerk in meine Westentasche und rannte aus der Tür.
11
Mit welchem Datum der letzten 150 Jahre auch immer man die Herrschaft des Papsttums beginnen lassen mag, es ist bewiesen,
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