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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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war Val, nachdem ich ihn über die Sache unterrichtet hatte, ins Haus der Underhills hinübergegangen und hatte mit dem Reverend gesprochen. Das war offenbar die eloquenteste Rede aller Zeiten gewesen, dennwir wurden zum Nachmittagstee eingeladen, und ich saß plötzlich Mercy Underhill gegenüber und sah selbstvergessen und fasziniert dabei zu, wie sie auf ihren Darjeeling pustete. Val hatte einen Strauß wilde Gänseblümchen für Mrs. Underhill gepflückt und sagte ihr, wie leid es ihm tue, ihnen solchen Ärger bereitet zu haben.
    Für mich stahl er irgendwo ein Beefsteak, denn wie Gott weiß, hätten wir uns nie eins leisten können, und bereitete auf unserem jämmerlichen Kocher eine erstaunlich schmackhafte Mahlzeit zu. Über die vergangene Nacht verlor er kein weiteres Wort, weder entschuldigend noch dankbar, nichts. Ich war nicht besonders gerührt.
    Und so verdanke ich es einem Unfall, der fast tragisch geendet hätte, dass ich Mercy aufwachsen sah. In jeder freien Sekunde schrieb sie Gedichte und wilde Geschichten und Einakter; Val, der Reverend und ich strichen jedes Frühjahr die Blumenkästen des Pfarrhauses gelb an, und solange Olivia Underhill lebte, buk sie zu den Wahlen den besten Napfkuchen, den ich je gegessen habe. Ich erinnere mich noch an die unzähligen Male, die wir nach einem Feuerwehrball an ihrem Tisch saßen, Val mit gerötetem Gesicht vom Gin und ich aus ganz aus anderen Gründen.
    In trüber Stimmung legte ich den Weg zu Fuß zurück, in der Gewissheit, dort zumindest Trost wie bittere Schokolade zu finden, gehaltvoll, dunkel und unwiderstehlich.
    Das Dienstmädchen der Underhills, ein blasses Kind aus einem armen britischen Elternhaus mit Namen Anna, öffnete mit einem Lächeln die Tür. Dann runzelte sie die Stirn und hätte zweifellos gern gewusst, warum ich ein Viertel meines Gesichts nicht dem Tageslicht aussetzen wollte. Aber sie erzählte mir sofort, dass Mercy zu einem ziemlich schlimmen Fall von Skorbut am East River gerufen worden sei, wo die ganze Familie von Tage altem Fisch und Wochen altem Brot lebte, und dass der Reverend im Wohnzimmer sei.
    Es war wie nach Hause zu kommen, zumindest ein bisschen. Da standen die vielen Bücherregale – ich hatte fast alle Bücherdarin gelesen, weil ich so oft auf Mercy gewartet hatte –, und dort war auch die Uhr mit dem unheimlichen Mondzifferblatt, das Fenster mit dem Plüschsitz, von dem aus man auf grüne Zweige und an Gitterstäbe gebundene Tomatenstauden blickte. Aber als ich mit dem Hut in der Hand ins Zimmer trat, traf der Blick des Reverend mich ganz unerwartet. Der Reverend war normalerweise ein ungeheuer aufgeweckter Mensch. Er nahm alle Dinge wie etwas Überraschendes auf, selbst wenn sie ihn gar nicht überraschten, einfach nur, um gute Laune zu verbreiten. Doch jetzt war sein Blick wie der einer schlecht gearbeiteten Statue. Die Einzelteile passten nicht zusammen, die traurigen blauen Augen vertrugen sich nicht mit dem so typischen optimistischen Ausdruck seiner Lippen. Und obwohl er Papiere vor sich ausgebreitet hatte, schien er doch nichts wirklich zu sehen.
    »Mr. Wilde«, grüßte er mich freundlich. Aber etwas Rasiermesserscharfes huschte über sein Gesicht. Und ich wusste auch, was es war.
    Selbst wenn er mich nie mehr wiedergesehen hätte, würde Aidan Raffertys Anblick ihn stets verfolgen, das war anzunehmen. Im Schlaf, in gedankenlosen Augenblicken, wenn er frische Milch in eine weiße Teetasse goss, zwischen den Zeilen eines drögen Buches. Ganz gleich, was er im Laufe seines Lebens alles gesehen haben mochte, dieser schreckliche rote Streifen um den kleinen weißen Hals, die winzigen, purpurrot angelaufenen Fingerspitzen – das hinterlässt ein Loch in der Seele. Doch wenn man einander nur anzusehen braucht, und schon hat man dieselben Bilder im Kopf, ohne ein Wort darüber zu verlieren, so nimmt einem das alle Würde. Mich traf es ebenso schmerzhaft wie ihn. Ich hätte nicht kommen sollen.
    »Ich gehe besser wieder. Sie sind beschäftigt und ...«
    »Aber nicht doch.« Er lächelte liebenswürdig und schob die Papiere von sich. »Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, dass ich, selbst wenn ich beschäftigt wäre, stets wissen wollte, wie es Ihnen geht.«
    Er deutete auf den Stuhl gegenüber, und ich setzte mich. Erstand bereits vor der Anrichte, um uns zwei sehr bescheiden bemessene Gläser Sherry einzuschenken. Anders als viele fromme Protestanten war der Reverend kein Abstinenzler. Er glaubte, die

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