Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
Weißt du, wo die meisten Leute aus unserer alten Gegend hingegangen sind?«
    »Ein paar hab ich gesehen, hin und wieder mal. Wen suchen Sie denn?«
    »Hopstill. Ich brauche einen, der ein Feuerwerk veranstalten kann.«
    »Brauchen wir das nicht alle?«, sagte Julius mit einem philosophischen kleinen Lachen.
    Er gab mir Hopstills neue Adresse, sie war in einem heruntergekommenen Teil des Sechsten Bezirks, unweit meines eigenen Hauses. Ich dankte ihm, was angebracht war, denn er hatte mir geholfen. Er dankte mir, was nicht ganz so angebracht war, denn ich hatte ja nur meine Arbeit getan. Julius schüttelte mir die Hand und war schon am Weggehen, als ich ihn noch fragte, was er denn da in seiner rechten Hosentasche mit sich herumtrage.
    »Die Steckrübe«, rief er.
    »Wieso denn das?«, fragte ich entgeistert.
    »Weil es mich immer noch gibt«, antwortete er. »Ich habe einen Ziegel, einen Lederriemen und einen Stein aus einer Steinschleuder, alles auf einem Regal. Aber hier bitte. Es gibt mich immer noch.«
    Ich biss mir fest auf die Lippe, als er wegging. Ich dachte ein wenig über nutzlose Männer nach und über Männer, die für etwas gut sind. Aber ich wurde anderswo gebraucht. Bevor ich zu Matsell ging, musste ich Mercy finden, und ich wusste auch, wo sie immer hinging, wenn sie Ruhe brauchte. Also zog ich den Hut ins Gesicht und verließ die sich auflösende Szene, während der Grundstücksbesitzer sich daranmachte, den Reisighaufen von seinem kostbaren Grundstück zu entfernen. Womit er, zumindest meiner Ansicht nach, sehr klar die Grenzen dessen aufzeigte, wofür insbsondere dieser Mann gut war.
    *
    Als ich von Osten her auf den Washington Square kam, nachdem ich den Droschkenkutscher gebeten hatte, zu warten und mich dann gegen ein Extrageld zu den Tombs zu fahren, traf mich die Stille auf dem Platz wie ein Sonnenstrahl, der durchs Fenster scheint. Zwar rollten gemächlich ein paar Kutschwagen vorbei, und unter meinen Sohlen knisterte das dürre Laub – aber so viele andere Töne fehlten. Die Menschen reden nicht viel am Washington Square. Entweder wohnen sie in den prächtigen, von Bäumen umstandenen Häusern um den Platz herum, oder sie kommen aus der wie ein Juwel schillernden Holländischen Reformierten Kirche, oder sie sind Studenten der vor vierzehn Jahren gegründeten New York University und lesen, als hinge ihr Leben davon ab. Irgendetwas an dieser Triade – Kirche, Universität und Bäume – sorgt für Stille auf diesem Platz, selbst im bernsteinfarbenen Licht des Nachmittags. Und bald entdeckte ich Mercy. Sie saß auf einer Bank, die Hände im Schoß gefaltet.
    Wenn ich sie sehe, ohne dass sie mich sieht, fühle ich mich immer leicht trunken, aber nicht so, dass mir schwindlig wäre. Eher so in der etwas beschwipsten Art, in der ein angetüdelter Mensch die kleinen Details um sich herum betrachtet und seine Aufmerksamkeit völlig gefesselt ist von ganz belanglosen Dingen. Wenn Mercy nicht weiß, dass ich sie anschaue, kann ich zehn Minuten damit zubringen, nur ihr Ohr anzuschauen. Aber ich durfte keine Zeit verschwenden. Also gestattete ich mir bloß fünf Sekunden für die Betrachtung jener schwarzen Strähne auf der linken Seite ihres Halses, die sich niemals, unter keinen Umständen, mit den anderen Haaren hochstecken ließ. So viel konnte ich mir gerade noch erlauben.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Sie sah zu mir auf, die Augen voller Sorge. Dabei schien sie nicht überrascht, mich zu sehen. Allmählich fiel mir auf, dass sie das überhaupt nur selten war. Sie nickte und betrachtete dann wieder aufmerksam das Laub auf dem Boden.
    »Über das, was vorhin geschehen ist, lässt sich nichts Sinnvolles sagen«, bemerkte ich. »Und ich weiß, Sie haben in dieser Stadtschon ähnlich schlimme Dinge gesehen wie ich. Vielleicht Schlimmere. Aber das war mutig von Ihnen, auch wenn ich Ihnen diese Rolle niemals zugemutet hätte.«
    Das hatte sie nun gar nicht erwartet. Das Grübchen in ihrem Kinn bewegte sich ein wenig nach unten.
    »Ich wollte mich vergewissern, dass es Ihnen gut geht«, erklärte ich. »Das ist alles. Ich möchte Ihnen keine Vorhaltungen machen, das wäre unangebracht. Und wenn Julius hier wäre, würde er sich bei Ihnen bedanken.«
    Dann sagten wir nichts mehr. Ein Student eilte vorüber, nicht ahnend, welch schreckliche Dinge sich südlich von ihm zugetragen hatten. Sein Hut war sehr ausgebeult, sein Schritt sehr hastig, seine Hose sehr eng. Er musste ganz dringend irgendwo

Weitere Kostenlose Bücher