Der Teufelsfürst
hatte: Er hatte seine Seele umsonst befleckt! Halil Pascha hatte sein Versprechen, Radu unter seinen persönlichen Schutz zu stellen, nicht gehalten!
Kapitel 55
Nahe Kronstadt (Transsylvanien), Oktober 1447
»Was war das?« Nervös drehte Zehra sich auf dem Bock des Wagens um und versuchte, etwas in der undurchdringlichen Dichte des Waldes zu erkennen. Ein schneidender Wind pfiff von den schroffen Felsen herab, auf denen die Törzburg mit ihren Trutztürmen thronte – genauso abweisend wie all die Festungen, die Zehra seit dem Abkommen mit den Ungarn besucht hatte. Einen Augenblick lang dachte die junge Frau, ihre Ohren hätten ihr einen Streich gespielt. Dann allerdings wiederholte sich der unheimliche Laut, der auch das Pferd vor ihrem Wagen unruhig den Kopf werfen ließ. »Ein Bär«, versetzte Herzog Michel, der das Gefährt lenkte und so dicht neben Zehra saß, dass diese seinen weinsauren Atem riechen konnte. Seine Laune war noch düsterer als der wolkenverhangene Himmel. Seit ihrer Ankunft in Kronstadt Anfang der Woche schien er nicht mehr besonders erpicht darauf, seinen Teil der Abmachung mit den ungarischen Rittern zu erfüllen. Deshalb hatte er sich nur widerwillig dazu durchgerungen, der Einladung – oder eher dem Befehl – des Regenten von Ungarn und gleichzeitigen Woiwoden von Transsylvanien, Johann Hunyadi, zu folgen. Dieser hatte von der Nützlichkeit des deutschen Mädchens erfahren und Boten ausgesandt, um sie und ihren »Herrn«, wie er es ausgedrückt hatte, auf die Törzburg zu beordern. Dort traf er offenbar die letzten Vorbereitungen für den Marsch über die Karpaten, der mit der Niederwerfung des Fürsten der Walachei enden sollte.
Das war es jedenfalls, was man sich in Kronstadt erzählte.
Zudem schmorten in den Kerkern der uneinnehmbaren Festung zahlreiche türkische Gefangene, denen er mit Zehras Hilfe ihre Geheimnisse entlocken wollte. Und so hatten Zehra und Herzog Michel die letzten vier Tage auf der Burg zugebracht – Michel als Gast des mächtigen Ungarn, Zehra als heimliche Lauscherin vor den Zellentüren der Gefangenen.
Wie bereits in Preßburg und an zahlreichen anderen Orten war es ein Leichtes gewesen, den Ungarn die gewünschten Informationen zu liefern, da die Osmanen sich in ihrer eigenen Sprache frei über alles unterhielten. Entgegen der Furcht, die Zehra beim ersten Mal empfunden hatte, als sie in die Tiefen eines Kerkers hinabgestiegen war, erfüllte sie die Aufgabe inzwischen mit Stolz. Immerhin waren mit ihrer Hilfe bereits zwei Spione entdeckt worden, die den osmanischen Sultan in regelmäßigen Abständen mit Brieftauben informierten.
»Es war eine großartige Idee, das Mädchen zu benutzen«, hatte Hunyadi den Zigeuner und die Ritter aus Preßburg gelobt, die den Herzog begleitet hatten. Und das erste Mal seit langer Zeit hatte Zehra das Gefühl gehabt, dass Michel sie mit Wohlwollen im Blick betrachtete. Sie schielte verstohlen zu ihm hinüber. Seit ihrer Ankunft in Kronstadt schien er ihre Dienste als Schreiber nicht mehr zu benötigen. Nur durch Zufall hatte sie vor Kurzem aufgeschnappt, dass er sich in aller Verschwiegenheit mit transsylvanischen Waffenhändlern traf.
Da Kronstadt als Zentrum der Schusswaffenherstellung über die ungarischen Grenzen hinaus bekannt war, verwunderte Michels Interesse sie eigentlich nicht. Allerdings wusste sie, dass der Handel mit Waffen strenger kontrolliert wurde als der mit anderen Waren. Wer ohne Erlaubnis oder königliches Siegel Waffen transportierte oder einführte, lief Gefahr, als Verräter oder Schmuggler verhaftet und hingerichtet zu werden. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie eins und eins zusammengezählt hatte. Inzwischen war sie sich sicher, dass diese heimlichen Aktivitäten etwas mit den Verpflichtungen zu tun hatten, die Michel im Sommer in der Nähe von Regensburg eingegangen war. Denn damit wäre die Angst vor dem Strick, die einer der Männer dort geäußert hatte, zu erklären. Ein weiteres tiefes Brummen ließ sie zusammenfahren und die Gedanken an Michels heimliche Aktivitäten vergessen. Dieses Mal folgte dem Laut ein deutlich vernehmbares Knacken.
Auch Michel legte lauschend den Kopf schief. »Hüh!«, rief er und klatschte die Peitsche auf den Rücken des Pferdes, das immer nervöser wurde. »Das fehlte noch«, knurrte er und tastete nach seinem Schwert, das er einige Zoll aus der Scheide befreite. »Hier wimmelt es ja nur so von diesen Mistviechern!«
Zehra widerstand nur mühsam der
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