Der Teufelsfürst
er den Großwesir traf, würde er mehr wissen. Er schleppte sich in sein Quartier, um Panzerhemd und Helm abzulegen und sich etwas Repräsentativeres anzuziehen. Während er den Turban band, schweiften seine Gedanken zu dem ab, was er die ganze Reise über hatte vergessen wollen. Einen Augenblick lang gaukelten ihm seine Sinne vor, der albanische Priester würde ihn aus dem polierten Spiegel anglotzen.
Als kurze Zeit später einer der persönlichen Diener des Großwesirs erschien und ihn pompös dazu einlud, ihm zu folgen, war er beinahe dankbar für die aufgeblasene Visage, welche die verhärmten Züge aus seiner Erinnerung vertrieb. Mit einem hohlen Gefühl in der Brust schlüpfte er zurück in seine Stiefel und verließ seine bescheidene Unterkunft. Obgleich sich seine Fußsohlen anfühlten wie gekochtes Fleisch, ließ Vlad sich nichts anmerken und hielt mit dem hochmütigen Kahlgeschorenen Schritt. Wie bei seinem letzten Treffen mit dem Großwesir führte der Weg über schmale Gartenpfade zu einem Gebäude in der Nähe des Hamams. Schon von Weitem hörte Vlad die Jagdfalken des Sultans kreischen. Anders als vor seinem Aufbruch nach Albanien wartete Halil Pascha bereits auf ihn. Während Vlad sich tief vor ihm verbeugte, scheuchte der zweitmächtigste Mann der östlichen Welt alle Diener aus der kleinen Halle. »Berichte!«, befahl er ohne Umschweife, und Vlad informierte ihn haarklein über alles, was er von den gefolterten Gefangenen in den Mokrabergen erfahren hatte.
»Der Mord an Alaeddin Ali-Çelebi war eine Verschwörung, um die Blutschuld des Sultans zu sühnen«, erklärte er. »Der Drahtzieher war Georg Kastriota – Iskender Beğ – weil der Sultan seinen Vater töten ließ. So viel ist sicher. Was den Helfer am Hof angeht, habe ich zwei unterschiedliche Antworten bekommen.« Er hob den Zeigefinger. »Entweder wurde der Meuchler von Prinz Mehmet gedungen«, dem Zeigefinger folgte der Mittelfinger, »oder von der Sultanin Mara. Oder von beiden – das war nicht herauszufinden.« Einen Augenblick lang schwieg Halil Pascha und zupfte sich versonnen am Ohrläppchen. »So, so, die Sultanin Mara und Mehmet«, murmelte er schließlich. »Das ist ja höchst interessant!« Sein Blick schweifte ab. Es schien, als habe er seinen Besucher vergessen.
Mit geschürzten Lippen durchschritt er die Halle. Nicht sicher, was er tun sollte, beobachtete Vlad ihn eine Weile unter gesenkten Lidern hervor. Was der Großwesir mit dem neu gewonnenen Wissen anfangen würde, war ihm egal. Alles, was für ihn zählte, war die Erfüllung seines Auftrags.
Daher räusperte er sich scheu und fragte: »Warum hat der Großherr meine Rückkehr befohlen?« Eben wollte er der Frage eine zweite hinzufügen, um endlich zu erfahren, wann er seinen Bruder wiedersehen könnte. Doch er schluckte die Worte, da sich Halil Paschas Miene verdüsterte. »Das ist eine Angelegenheit, die dir nicht gefallen wird«, versetzte dieser rätselhaft, trat an eines der vergitterten Fenster und klatschte in die Hände. Wenig später huschte ein Diener in den Raum.
»Geh und melde dem Mabeyinci – dem Übermittler –, dass der Walache eingetroffen ist und um eine Audienz ersucht.« Sobald der Sklave verschwunden war, wandte er sich wieder Vlad zu und runzelte die Stirn. »Aber es wäre vermessen von mir, dem Sultan vorzugreifen.« Er kramte in den Falten seines Kaftans und zog eine schwere, juwelenbesetzte Kette hervor. »Das als Lohn für deine Treue«, sagte er und hob warnend die Hand. »Ich muss dir sicher nicht sagen, dass ich es als Verrat betrachten würde, wenn irgendjemand sonst in den Besitz dieses Wissens gelangt.« Seine Stimme war schneidend. »Warte hier, bis der Mabeyinci dich rufen lässt.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand mit raschelnden Gewändern aus der Halle. Vlad sah ihm wie vor den Kopf gestoßen hinterher – die Kette weit von sich gestreckt, als handle es sich um eine Giftschlange. Was konnte nur geschehen sein? Während er geistesabwesend mit dem schweren Metall der Kette spielte, überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf. Was konnte den Sultan dazu veranlasst haben, ihn , eine unter vielen Geiseln, aus dem Feld zurück nach Edirne zu beordern?
Die Frage wurde schneller beantwortet, als er gedacht hatte.
Denn bereits eine halbe Stunde nach seinem Treffen mit Halil Pascha wurde er in die Audienzhalle des Sultans geführt.
Dieser thronte – umringt von seiner Leibwache – inmitten einer
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