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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Versuchung, sich näher an ihn zu drängen. Erst am vergangenen Sonntag hatte ein riesiger Braunbär einen Jungen getötet, der Ziegen auf einer Wiese vor der Stadt gehütet hatte. Und dem Gerede der Kronstädter zufolge, war es sogar schon vorgekommen, dass die wilden Untiere unvermittelt auf dem Marktplatz auftauchten. Das Brummen kam näher, und die Stute vor dem Wagen warf mit einem Wiehern den Kopf hoch. Als keinen halben Steinwurf zu ihrer Rechten ein gewaltiger Bär zwischen den Büschen auftauchte, verwandelte sich das Wiehern in etwas, das wie ein schriller Schrei klang: Die Stute ging durch.
    Erschrocken klammerte Zehra sich an Michels Arm fest, um nicht den Halt zu verlieren und in den sicheren Tod zu stürzen. Wie von Teufeln gehetzt, jagte das verängstigte Pferd den Weg entlang, und dem Herzog gelang es nur unter Aufbietung all seiner Kraft, die Zügel in der Hand zu behalten. Während Furcht nach ihrem Herzen griff, sandte Zehra ein Stoßgebet zum Himmel, dass Gott sie vor dieser Bestie bewahren möge. Eine scheinbare Ewigkeit ging die wilde Hatz über Stock und Stein, bis sie den Wald hinter sich gelassen hatten und die Stute schließlich mit zitternden Flanken und Schaum vor dem Maul stehen blieb. Selbst am ganzen Leib bebend, wandte Zehra sich auf dem Bock um und suchte den Waldrand nach dem Bären ab. Doch von diesem war weit und breit nichts mehr zu sehen. »Er hätte uns wenigstens auf dem Rückweg ein paar Mann zu unserem Schutz mitgeben können!«, grolle Michel. Zehra nahm an, dass er Hunyadi meinte, der darauf bestanden hatte, dass Michel ausschließlich in Zehras Begleitung kam. »Als ob er nicht wüsste, wie gefährlich die Wälder sind!« Nicht sicher, ob er eine Antwort erwartete, schwieg Zehra sicherheitshalber und verfolgte, wie der Zigeuner vom Wagen sprang und der Stute beruhigend den Hals tätschelte. Alle paar Augenblicke sah sie sich um, aus Furcht vor der Rückkehr des Bären. Sobald die Fahrt weiterging, atmete sie erleichtert auf und faltete beschämt die Hände in ihrem Schoß, um nicht erneut nach Michels Arm zu greifen.
    Ob er das Gleiche gespürt hatte wie sie, fragte sie sich. Ob auch ihm ein seltsames Gefühl in den Bauch gefahren war? Da er sie allerdings – wie üblich – keines unnötigen Blickes würdigte, beantwortete sie sich diese Frage mit einem Nein. Weshalb auch? Schließlich war sie keine der glutäugigen Schönheiten, mit denen er für gewöhnlich sein Lager teilte!
    Sie verzog das Gesicht. Wo zum Teufel kamen diese unsinnigen Gedanken nur immer her?
    Das Auftauchen eines bewaffneten Fußtrupps etwa eine halbe Meile zu ihrer Linken vertrieb die müßigen Fragen, da Unbehagen in ihr aufstieg. Auch wenn sie wusste, dass die Männer mit den Furcht einflößenden Spießen keine Feinde waren, legte sich mit ihrem Erscheinen stets eine unheilvolle Stimmung über das Land – jedenfalls hatte Zehra diesen Eindruck. Der Gesang der Vögel verstummte, Schafe, Ziegen und Hunde nahmen Reißaus und wer konnte, machte sich unsichtbar. Den Fußsoldaten folgten eine größere Anzahl von Wagen sowie eine Hundertschaft schwerer Reiterei, die allesamt auf den Wald zusteuerten, den Michel und Zehra soeben hinter sich gebracht hatten. »Damit dürfte sich die Sache mit dem Bären wohl erledigt haben«, bemerkte Michel schadenfroh und lenkte die Stute einen Hügel hinab auf das Stadttor von Kronstadt zu. Wenig später erreichten sie das Haus, in dem der Herzog Unterkunft bezogen hatte. Weil Zehra in ihrer Funktion als »Geheimwaffe« für ihn von großem Nutzen war, hatte er auch ihr eine Kammer im ersten Stock des Gebäudes zugewiesen, in der außer ihr noch zwei Mägde schliefen. Als sie in den Hof eingefahren waren, überraschte er sie damit, dass er vor ihr zu Boden sprang und ihr vom Bock half. »Wenn Hunyadi und seine Männer endlich aufbrechen«, sagte er, »wirst du deine Arbeit als Schreiber wieder aufnehmen.« Zehra sah erstaunt zu ihm auf. »Es gibt ein paar dringende Briefe«, erklärte er. Warum diese bis zu Hunyadis Aufbruch warten mussten, enthielt er ihr allerdings vor. Er wandte sich dem Knecht zu, der die Stute abschirren wollte, und befahl diesem, ins Lager der Sinti zu laufen und zu verbreiten, dass Michel am Abend eine Versammlung abhalten wollte.
    Fünf Stunden später befand sich Zehra – zusammen mit allen anderen Zigeunern – in dem größten Zelt auf der Wiese, auf der die weniger hochgestellten Sinti lagerten. Die Nacht war an diesem wolkenverhangenen

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