Der Teufelsfürst
seine Kehle zu durchtrennen, wanderte die Waffe jedoch an seiner nackten Brust entlang nach unten, wo sie eine blutige Spur hinterließ.
Dann griff der Mann in den Bund des Shalvars – der dünnen Pluderhose – und entblößte Vlads Männlichkeit. Er schnalzte mit der Zunge und griff beinahe zärtlich danach. Ehe er allerdings die Hand mit dem Dolch heben konnte, nahm Vlad seine letzte Kraft zusammen und rammte ihm den Ellenbogen ins Gesicht. Augenblicklich schoss Blut aus der Nase des Getroffenen, der mit einem wüsten Fluch von seinem Opfer abließ und nach hinten taumelte.
»Ich werde dir das Herz aus dem Leib reißen!«, tobte der Soldat, nachdem er sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte. Er wollte sich mit erhobener Waffe auf Vlad stürzen, doch eine herrische Stimme hielt ihn von seiner Rache ab. »Wenn du ihn ohne Befehl tötest, wird Prinz Mehmet dir das Herz aus dem Leib reißen«, sagte der Falakaci Başi, der unbemerkt – in Begleitung von drei Janitscharen – in dem Gefängnis aufgetaucht war. »Du solltest lieber deine Arbeit tun und hier ausmisten lassen.« Der Bestrafungsoffizier hob angeekelt die Hand an die Nase und schürzte die Lippen. Sein makellos weißer Turban sorgte dafür, dass er gebückt gehen musste, wenn er ihn nicht beschmutzen wollte. Auch der Rest seines Gewandes war, wie immer, blütenrein. Das strenge Gesicht mit dem grauen Bart war ausdruckslos, als er Vlad mit kalten Augen musterte. »Deine Willenskraft ist bemerkenswert«, sagte er ohne Hohn. »Du könntest eine große Zukunft vor dir haben, wenn du dich endlich in dein Schicksal fügen würdest.« Er schüttelte verständnislos den Kopf, da Vlad ihn trotzig anstarrte. »Der Prinz will dich sehen«, verkündete er und machte auf dem Absatz kehrt, nachdem er den Janitscharen ein Zeichen gegeben hatte. »Bringt ihn ins Freie«, hörte Vlad ihn sagen. Seine niedergetrampelte Hoffnung reckte für den Bruchteil eines Augenblickes das Haupt. Sollte Mehmet die Bestrafung bereits genügen? Hatte sein Vater, der Sultan, ihn daran erinnert, dass Vlad eine wertvolle Geisel war? Oder hatte gar Radu für ihn gebeten? Der Gedanke an seinen kleinen Bruder ließ ihn frösteln. Er versuchte, das brennende Gefühl der Schuld zu verdrängen, welches den Funken der Hoffnung genauso schnell auslöschte, wie er aufgeflammt war.
Starke Hände hoben ihn auf die Beine und beförderten ihn in den engen Gang hinaus. Halb stolpernd, halb getragen gelangte er schließlich im Erdgeschoss des Turmes an, wo ihm kühle Luft entgegenschlug. Das Gefühl der Kälte verstärkte sich, und er spürte, wie er von innen heraus anfing zu zittern.
Ohne lange zu fackeln, versetzten ihm die Janitscharen einen Stoß, sodass er durch die Tür hinaus ins Freie taumelte. Dort, auf dem Rücken eines mitternachtschwarzen Araberhengstes, thronte Prinz Mehmet. Neben ihm, regungslos und herausgeputzt wie eine Haremskonkubine saß Radu im Sattel einer Stute, die ungeduldig mit den Hufen scharrte. Beim Anblick seines Bruders wollte Vlad zuerst Erleichterung durchfluten.
Aber als er dem Knaben in die Augen blickte, erschrak er so heftig, dass seine Beine ihm den Dienst versagten. Mit einem dumpfen Laut fiel er auf die Knie und senkte den Kopf, um seine Tränen vor Mehmet zu verbergen.
»Ich sehe, du hast endlich Respekt gelernt«, spottete dieser und ließ sich geschmeidig aus dem Sattel gleiten. Goldene Ketten klimperten, als er auf Vlad zutrat und sich vor ihm aufbaute. Durch den Tränenschleier vor seinen Augen nahm Vlad lediglich die perlenbestickten Schuhe des Prinzen wahr, mit denen dieser einen kleinen Kreis in den Schmutz malte. Nach einigen quälenden Augenblicken ließ er schließlich einen glänzenden Gegenstand in die Mitte des Kreises fallen und beugte sich zu Vlad hinab. »Sieh nur, was der Enderum Sakirdi auf dem Boden des Unterrichtsraumes gefunden hat«, flötete er zuckersüß. Nach mehrmaligem Blinzeln erkannte Vlad die verlorene Drachenbrosche. Trotz der aussichtslosen Lage und dem Bewusstsein, am Unglück seines Bruders schuld zu sein, gab ihm das Schmuckstück eine Spur Zuversicht zurück. Hatte er nicht gedacht, alles sei verloren? Auch der Drache, der seine Zugehörigkeit zum Drachenorden symbolisierte? Seine Halsstarrigkeit kehrte zurück und eine Stimme in seinem Inneren schalt ihn einen Narren. Woher wollte er wissen, ob Mehmet sich tatsächlich an Radu vergangen hatte? Vielleicht war das alles nur Teil eines der grausamen
Weitere Kostenlose Bücher