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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Gestank verbrannten Fleisches allein blieb.

Kapitel 6
Ulm, ein Stadthaus, Februar 1447
    Zwei Tage waren seit dem Tod ihres Vaters vergangen, aber noch immer konnte Zehra die Endgültigkeit nicht begreifen.
    Da Karl von Katzenstein wegen der Leichenschau – einer reinen Formalität, wie Martin versichert hatte – noch nicht bestattet war, erschien ihr sein Tod noch immer unwirklich.
    Mehr als einmal hatte sie sich dabei ertappt, wie sie in die Schreibstube ihres Vaters geschlichen war – in der Hoffnung, ihn dort, in seinem Sessel sitzend vorzufinden. Doch anstatt seines ergrauten Schopfes war es der schwarze Schopf ihres Bruders gewesen, der über Briefe und ellenlange Auflistungen gebeugt war. Sie blinzelte, um das furchtbare Bild zu vertreiben, welches sich stets in den Vordergrund ihres Bewusstseins drängte, wenn sie an ihren Vater dachte. Der lachende Mann, von dem sie lesen, reiten und rechnen gelernt hatte, war verschwunden, und alles, was blieb, war … Sie stieß zitternd die Luft aus und schlüpfte hastig in ein wollenes Untergewand, da sie plötzlich entsetzlich fror. Mechanisch griff sie nach dem beinernen Reinigungsbesteck neben der Waschschüssel und putzte sich die Zähne. Dann spülte sie den Mund mit einer Minzlösung aus und wusch sich das Gesicht. Anschließend knöpfte sie lustlos die veilchenfarbene Fucke zu, streifte Ringe und Armreifen über und flocht zwei dünne Zöpfe, die sie am Hinterkopf zu einem vereinte. Zum Schluss legte sie einen Schleier über ihr Haar und versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was sie heute zu tun hatte. Irgendwie musste sie sich von den düsteren Gedanken ablenken, musste Trost in Bekanntem finden, auch wenn Trost kaum möglich schien. Da sie seit ihrer Verlobung mit Nikolaus nicht mehr in die Lateinschule in der Hafengasse ging, die seit einigen Jahren auch Mädchen aufnahm, kümmerte sie sich wieder mehr um das, was ihre Großmutter Sapphira ihr beigebracht hatte: das Herstellen von Tränken, Salben und Essenzen zur Heilung von Krankheiten. Auch wenn ihr Verlobter diese Betätigung mit mehr als nur einem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen hatte, hatte sie nicht vor, sie aufzugeben. »Wenn wir verheiratet sind, erwarte ich, dass du dich um den Haushalt kümmerst«, hatte er mit einem warnenden Unterton gesagt, als Zehra ihm mit leuchtenden Augen von einem Sud berichtet hatte, mit dem es ihr gelungen war, einen der Knechte zu heilen. Dieser hatte am Feuer des Heiligen Antonius – einer Vergiftung durch Mutterkorn – gelitten. »Solcherlei Dinge solltest du den Badern überlassen«, hatte Nikolaus tadelnd versetzt. Als ob diese ihre Kunst besser beherrschten, nur weil sie Männer waren! Sie verzog das Gesicht und ließ die Gedanken zu ihrer Großmutter abschweifen. Der Frau, die nach dem viel zu frühen Tod ihrer Mutter deren Stelle eingenommen und Zehras gewaltigen Durst nach Wissen und Liebe gestillt hatte. Der Frau, die vor ihrer Flucht aus dem Harem in Bursa die Heilerin des mächtigen Sultans Bayezid Yilderim gewesen war und die Zehra vor vielen Jahren die Furcht vor etwas genommen hatte, was das junge Mädchen damals nicht hatte begreifen können.
    »Ach, Kind«, hatte Sapphira gesagt und ihre weinende, gerade sechsjährige Enkelin in die Arme geschlossen, nachdem diese ihr stammelnd von etwas erzählt hatte, das sie mit grenzenlosem Entsetzen erfüllte. »Du bist kein Geschöpf des Teufels!« Sie hatte Zehra an sich gedrückt und ihr schließlich ernst in die Augen geblickt. »Es ist eine Gabe Gottes, und du solltest stolz darauf sein, dass er sie dir ebenso geschenkt hat wie mir.« Und dann hatte sie Zehra erklärt, dass auch ihr ein einziger Blick genügte, um ihr das meist verborgene Wesen eines Gegenübers zu offenbaren. Wenngleich nicht bei allen, erschien es oft, als seien die Menschen mit einer Farbe umgeben; ein Eindruck, der allerdings sofort verblasste, sobald sie genauer hinsah – beinahe als spielten ihre Sinne ihr einen Streich. »Es gibt allerdings auch Menschen, deren Wesen mir verborgen bleibt«, hatte Sapphira ihrer Enkelin gestanden.
    »Aber dann verlasse ich mich einfach auf meinen Verstand.«
    Zehra fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. Wenn Sapphira doch nur bei ihr wäre! Dann würde sie sich nicht so furchtbar alleine fühlen. Sie starrte einen Augenblick ins Leere, ehe sie sich schwerfällig nach ihren Schuhen bückte.
    Obwohl auch an diesem Tag die Sonne aus einem azurblauen Himmel lachte, herrschte Dunkelheit in ihrem

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