Der Teufelsfürst
Eurem Vater, Karl von Katzenstein, und der Hexerei angeklagt werdet. Das Gerichtsverfahren wird am kommenden Montag eröffnet.« Wie vom Donner gerührt, sah Zehra von einem zum anderen, während die Welt um sie herum anfing, sich immer schneller zu drehen. Mord? Ihr Vater war ermordet worden?! Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Schwarzgekleidete kam ihr zuvor. »Die Leichenschau hat ergeben, dass Euer Vater keines natürlichen Todes gestorben ist. Der corpus delicti wird für die Dauer des Gerichtsverfahrens unbestattet bleiben.« Er kniff die Augen zusammen und betrachtete Zehra von Kopf bis Fuß, ehe er die Brauen runzelte und sich abwandte. »Mehrere Zeugen haben gehört, wie Ihr einen bösen Schwur getan habt«. Bei diesen Worten setzte erneut aufgeregtes Tuscheln ein. Dessen ungeachtet fuhr der Büttel fort: »Euch wird zur Last gelegt, Euren Vater unter anderem durch Zauberkunst und finstere Rituale getötet zu haben.« Das Tuscheln verwandelte sich in ein immer stärker anschwellendes Raunen. Wie im Traum sah Zehra, zwei der Wächter vortreten, um sie in die Mitte zu nehmen. »Ihr werdet bis zur Eröffnung des Verfahrens in den Metzgerturm gebracht«, verkündete der dritte Mann, und das Raunen wurde zu einem offenen Aufruhr.
»Was soll das?!« Zehras Bruder Utz vertrat den Soldaten den Weg und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ihr könnt sie doch nicht wie eine gemeine Verbrecherin in den Turm werfen!« Der Anführer der Wächter zuckte die Achseln und versetzte gleichgültig: »Auf Befehl des Bürgermeisters können wir so ziemlich alles tun.« Mit diesen Worten schob er Utz zur Seite und bedeutete den beiden anderen, Zehra abzuführen. Die junge Frau wusste nicht, wie ihr geschah, als sich plötzlich raue Stricke um ihre Handgelenke legten. Diese wurden grob festgezurrt, und ehe sie sich versah, hatten die Büttel sie auf die Straße gezerrt. Vorbei an der langen Reihe von Fuhrwerken, stolperte sie zwischen ihren Bewachern auf den Münsterplatz zu, hinter dem sich Rathaus und Stadtgefängnis befanden. Sie spürte nicht einmal die eisige Kälte, die schon nach wenigen Schritten ihr Gesicht rötete. Denn mit jedem Schritt, den sie tat, fraß sich die Bedeutung der Worte tiefer in ihre Seele. Ihr Vater war ermordet worden! Und sie sollte dafür verantwortlich sein!
Kapitel 7
Ulm, ein Stadthaus, Februar 1447
»Begleite mich zum Advocatus .« Die schneidende Stimme seiner Mutter Helwig ließ den Ritter Johann von Katzenstein unwillig aufblicken. Die blutjunge Magd, deren Brüste sich von hinten in seinen Rücken drückten, trat von ihm zurück, als habe sie sich verbrannt. Eine Entschuldigung stammelnd räumte sie hastig das Geschirr vom Tisch und beeilte sich aus der Stube zu kommen. Die alte Frau schüttelte missfällig den Kopf und Johann spürte, wie sich ein Stachel in ihm aufrichtete. Konnte man denn nicht einmal in seinem eigenen Haus tun und lassen, was man wollte?! Anstatt sein kleines Liebesabenteuer mit der Küchenhilfe zu kommentieren, wies Helwig jedoch lediglich mit dem Kinn auf den Ausgang und sagte: »Du weißt, dass ich nicht gerne warte.« Wie immer trug sie auch heute ein schlichtes, dunkelbraunes Wollgewand; ein beigefarbener Hennin betonte ihre hohe Stirn. Die von Altersflecken übersäten Hände kneteten ungeduldig den Stoff ihrer Ärmel, während ihre zusammengekniffenen Lippen zuckten, als wolle sie noch etwas hinzufügen. Ihr fettes Kinn waberte der Bewegung hinterher, als sie sich umwandte und hoheitsvoll davonstolzierte. »Als ob dafür nicht morgen auch noch Zeit wäre«, grollte Johann, der an diesem Vormittag eigentlich den Plattner hatte aufsuchen wollen. Diesem hatte er bereits vor drei Wochen den Auftrag für einen Turnierharnisch gegeben. Er konnte es kaum erwarten, den neuen Plattenpanzer abzuholen. Wenn dann auch noch das Geschäft mit dem Waffenschmied unter Dach und Fach war, würde niemand bei dem Turnier im Sommer seiner Lanze etwas entgegenzusetzen haben! Trotz des Wermutstropfens seiner ewig übellaunigen Mutter stahl sich ein Lächeln auf sein rundes Gesicht. Warum sollte er sich unnötig aufregen? Dann würde er eben erst den alten Drachen begleiten und sich dann um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.
Er kam mit knackenden Knien auf die Beine und ließ einige Male die Schultern kreisen. Auch wenn es in dem bescheidenen Stadthaus nicht halb so feucht und zugig war wie auf Burg Katzenstein, merkte er doch, dass er kein junger
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