Der Teufelsfürst
wischte sich den Mund und griff nach einer Platte mit Fleisch, die wie aus dem Nichts vor ihm aufgetaucht war.
Kauend grübelte er weiter. Zum Glück stand der römisch-deutsche König Friedrich solcherlei Geschäften aufgeschlossen gegenüber. So hatte er zugestimmt, den Ulmern nachträglich das Zollregal zu erteilen. Zu diesem Anlass musste Ulrich in den nächsten Tagen nach Ulm, um der offiziellen Zeremonie beizuwohnen. Seine Hand wanderte zu dem goldenen Stern – dem Abzeichen der Adelsgesellschaft mit Sankt Wilhelm – zurück, die er als einen der Gründe für seine finanziellen Probleme sah. Zwar bot die Mitgliedschaft in dem Ritterbund Schutz vor Übergriffen seiner Nachbarn oder feindlicher Städte. Doch hatte ihn die Pflicht der Fehdehilfe in den vergangenen Jahren beinahe ruiniert. Er biss herzhaft in ein saftiges Hühnerbein, riss sich ein Stück Brot ab und verzog das Gesicht, als ein Knirschen verriet, dass Steine im Mehl waren. Mussten seine Leute jetzt schon beim Brot sparen? Ein kehliges Lachen ließ ihn mürrisch den Kopf heben und dabei zusehen, wie der neue Hofmeister sich in einem Kreis seiner Männer großtat. Wenn sich nur der jüngere Bruder des Grafen Ludwig von Württemberg – der Ulrich hieß, wie er selbst – nicht ständig mit den Reichsstädten anlegen würde! Nachdem die beiden Brüder vor fünf Jahren die Grafschaft unter sich aufgeteilt hatten, war Ulrich von Württemberg ebenfalls der Gesellschaft mit Sankt Wilhelm beigetreten und brachte seitdem deren Mitglieder mit seinen ständigen Fehden an die Grenze der Geduld. Mehrmals hatten die Hauptleute bereits heimlich beraten, ob und wie es möglich wäre, den Heißsporn aus ihren Reihen auszuschließen. Aber immer wieder gewann die gemeinsame Städtefeindschaft die Oberhand und der Beschluss wurde aufgeschoben. Und so sahen sich alle anderen Mitglieder des Bundes dazu verpflichtet, dem zweiten Grafen von Württemberg zur Seite zu stehen. Eine breitschultrige Gestalt trat in das Blickfeld des brütenden Helfensteiners.
»Wann wollt Ihr nach Ulm aufbrechen?«, fragte Jörg von Berg, einer seiner treuesten Gefolgsleute. »Noch heute oder erst morgen?« »Wenn ich mir diesen Prahlhans so ansehe, am liebsten sofort«, bemerkte der Graf mit einem gehässigen Seitenblick auf den Hofmeister und lud Jörg mit einem Nicken ein, sich zu setzen. Der flachsblonde Ritter schwang die Beine über die Bank und kämpfte mit seinem Schwert. Dann griff auch er nach einem Stück Braten und grub die Zähne hinein.
Während er gierig Essen in sich hineinstopfte, gesellten sich noch drei weitere Ritter zu Ulrich von Helfenstein, dessen Laune sich mit jeder Minute, die verstrich, verschlechterte.
Als wenig später auch noch sein Bruder Konrad aus dem Obergeschoss des Wohnturms die Treppen hinabgestürmt kam, stöhnte er und brummte: »Lasst die Pferde satteln, sobald ihr fertig seid. Es ist vermutlich das Beste, wenn wir uns so schnell wie möglich aus dem Staub machen.« Er stemmte sich in die Höhe und wollte gerade auf den Ausgang zusteuern, als sich sein Bruder wie ein Habicht auf ihn stürzte. »Was erlaubst du dir?«, fauchte Konrad von Helfenstein und packte Ulrich hart am Arm. »Wie kommst du dazu, eine Burg zu verkaufen, die dir nur zur Hälfte gehört?!« Ulrich funkelte ihn an und löste ungehalten die Finger, die sich in sein Fleisch krallten. »Was bläst du dich so auf?«, fragte er verächtlich. »Ich dachte, es wäre auch in deinem Interesse, den alten Kasten endlich loszuwerden. Seit Jahren liegst du mir damit in den Ohren.« Konrad blähte dir Brust und warf den Kopf in den Nacken. »Ganz egal, was ich gesagt habe, es steht dir nicht zu, meinen Besitz zu veräußern!« Ulrich schüttelte den Kopf.
Was vor zwei Jahren eine gute Idee gewesen schien, hatte sich seitdem als weniger klug erwiesen, als er angenommen hatte.
Dem Vorbild der Grafen von Württemberg folgend, hatten er und Konrad die Ländereien ihres Vaters unter sich aufgeteilt und von König Friedrich die Erlaubnis eingeholt, sie an die Württemberger verpfänden oder verkaufen zu dürfen. Da die Schulden ihres Vaters sie von Jahr zu Jahr weiter aufzufressen drohten, war dies der einzige Ausweg gewesen, der dem Dilemma ein Ende bereiten konnte. Zumindest hatten sie das gedacht. Doch schon bald hatten der Erfolg des einen und der Misserfolg des anderen einen Keil zwischen die Brüder getrieben. Konrad fürchtete seither stets, übervorteilt zu werden.
»Du kannst den Handel
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