Der Teufelsfürst
im Gelächter der vier. »Hört, hört!«, röhrte einer von ihnen und klopfte sich mit der Faust auf die Brust. »Die Kleine will uns drohen.«
Seine Heiterkeit fiel wie eine Maske von ihm ab, als er seinerseits eine Waffe zog. »Komm lieber freiwillig«, drohte er.
»Dann verkaufe ich dich vielleicht nicht an die anderen!«
»Was soll das heißen?«, protestierte einer seiner Begleiter.
»Wer sagt, dass sie dir gehört.« »Halt dein Maul!«, grollte der Erste und wirbelte zu dem Sprecher herum. »Wer ist hier der Anführer?« Innerhalb eines Atemzuges begriff Zehra, dass dies ihre einzige Chance war, den Kerlen zu entkommen. Daher rammte sie den Dolch zurück in seine Scheide, drehte sich um und hangelte sich, so schnell sie konnte, an dem Seil entlang über die Planke. Hinter ihr verrieten die aufgebrachten Stimmen der Männer, dass diese noch nicht bemerkt hatten, dass ihnen ihr Opfer durchs Netz schlüpfte. Ein Schlag hallte durch die Winterluft, auf den ein zorniger Ausruf folgte. »Heiliger Petrus, gib mir Kraft«, murmelte sie, als ihr Knöchel erneut vor Schmerzen zu zerspringen drohte. Keuchend humpelte sie weiter. Das andere Ufer war kaum mehr ein Dutzend Schritte entfernt, als plötzlich eines der Bretter unter ihr nachgab und sie den Halt verlor. Der spitze Schrei ging in einem Gurgeln unter, als sie kopfüber in die eisigen Fluten der Donau stürzte.
Augenblicklich lähmte die Kälte ihre Muskeln. Egal wie sehr sie versuchte, gegen den Sog anzukämpfen, zog dieser sie erbarmungslos in die Tiefe. Voller Todesangst kämpfte sie darum, zurück an die Oberfläche zu gelangen, doch ihre Bemühungen waren vergebens. Wie die Klauen eines Dämons schien etwas nach ihr zu greifen, sie hinabzuziehen und in dem nassen Grab festzuhalten. Bereits nach wenigen Momenten begannen ihre Lungen zu brennen. Dunkelheit umfing sie, hüllte sie ein. Sie spürte, wie sie davongetragen wurde. Vater, hilf mir, dachte sie.
Kapitel 15
Ulm, ein Stadthaus, Februar 1447
Froh darüber, wieder zuhause zu sein, rammte Johann von Katzenstein die Fackel in den Fackellöscher vor der Tür und ließ sich von einer Magd eine Laterne geben. Im flackernden Schein der Kerze sah er, dass es sich um die Kleine handelte, die sein Blut schon am Mittag in Wallung gebracht hatte.
Doch im Moment war er nicht in der Stimmung, sich näher mit ihr zu beschäftigen. Später vielleicht, aber nicht jetzt. Jetzt wollte er sich erst einmal die Hände wärmen und etwas trinken, um den schalen Geschmack in seinem Mund loszuwerden, den das Spektakel vor dem Rathaus zurückgelassen hatte.
Auch wenn die Verbannung des Mädchens bedeutete, dass Helwigs Vorhaben unter einem guten Stern zu stehen schien, wollte ihm die Angelegenheit dennoch nicht gefallen. Er war nicht sicher, ob er genau wissen wollte, inwieweit sie in die Sache verwickelt war. Feststand, dass sie etwas mit der Verurteilung des Mädchens zu tun hatte. Daran bestand kein Zweifel für ihn. Ein Blick in ihr Gesicht, als der Richter die Strafe verkündet hatte, war Erklärung genug gewesen. Er warf einem jungen Burschen seinen Mantel zu und trottete mit müden Gliedern die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Die leichteren Schritte der Frauen im Rücken gelangte er in der Stube an, in deren Kamin ein Feuer prasselte. Mit einem wohligen Grunzen sank er auf einen der gepolsterten Stühle. Dort ließ er sich von dem Jungen die Stiefel von den Füßen ziehen, die er sofort in dem dicken Fuchsfell auf dem Boden vergrub. Dann streckte er die Handflächen aus und sog die Wärme des Feuers in sich auf. Während das Rascheln von Stoff verriet, dass sich Helwig und seine Tochter ebenfalls von den überflüssigen Gewändern befreiten, schloss er die Augen. Da augenblicklich das verzerrte Gesicht des verurteilten Mädchens vor ihm auftauchte, öffnete er sie sofort wieder und rieb sich die Schläfen. Einige Minuten lang herrschte bedrückte Stille in der Stube, bis Sophia schließlich schüchtern fragte: »Denkt Ihr, dass sie wirklich eine Hexe ist, Vater?« Johann unterdrückte ein Stöhnen und bemühte sich um eine strenge Miene.
Warum musste das Kind nur so furchtbar neugierig sein, fragte er sich und rügte sich gleichzeitig dafür, sie nicht oft und hart genug zurechtgewiesen zu haben. Er schob die Brauen zusammen und bedachte seine Tochter mit einem mahnenden Blick. »Du hast doch den Richterspruch gehört«, sagte er.
»Die Beweise waren eindeutig.« Sophias grüne Augen lagen fragend auf ihm.
Weitere Kostenlose Bücher