Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Prokurator«, las Sophia auf dem Schild über dem Eingang.
    Das war es also! Das Unbehagen, das sie seit der belauschten Unterhaltung nicht mehr losließ, verstärkte sich. Was auch immer es war, das Helwig hier wollte, es war ganz gewiss nichts Redliches! Sie hob die Hand an den Mund und kaute an ihrem Daumennagel. Was um Himmels Willen konnte sie nur tun, um weiteres Unrecht zu verhindern? Wenn sie sich doch nur endlich ihrem Beichtvater in Katzenstein anvertrauen könnte! Da die Last auf ihrer Seele sie allmählich zu erdrücken drohte, sehnte sie sich inzwischen so sehr nach einer Beichte, dass sie fürchtete, den Verstand zu verlieren, wenn sie ihren Kummer nicht bald mit jemandem teilen konnte.

Kapitel 22
Ulm, ein Stadthaus, März 1447
    Geistesabwesend rieb Utz sich den Kiefer, der von dem Schlag des Baders immer noch schmerzte. Blicklos starrte er auf die Auflistung von Waren, die dringend für den Frühjahrsmarkt beschafft werden mussten, während die hässliche Szene erneut vor seinem inneren Auge ablief. Als er den doppelzüngigen Markus Beinlein vor einer Woche endlich vor dem Badehaus angetroffen hatte, war es mit seiner Selbstbeherrschung nicht weither gewesen. Wie ein Wahnsinniger war er auf den Kerl zugestürzt, hatte ihn am Kragen seines Rockes gepackt und versucht, ihn zu schütteln. Allerdings ohne besonders großen Erfolg, da ihn der Bader um mehr als eine Haupteslänge überragte und vermutlich doppelt so viel wog wie er selbst. Nachdem Beinlein ihn wie eine Fliege abgeschüttelt hatte, war Utz noch wütender geworden, hatte die Fäuste geballt und einen Hieb zum Kinn des Mannes geführt. Aber dieser war dem Angriff mühelos ausgewichen und hatte seinen Angreifer lauthals ausgelacht. Außer sich vor Wut hatte Utz ihn angebrüllt, ihn einen Lügner, Betrüger und Meineidigen geschimpft und schließlich nach dem Dolch an seinem Gürtel gegriffen. Daraufhin war dem Bader das Lachen vergangen, doch zu Utz’
    Glück waren drei Männer aus dem Badehaus aufgetaucht – genau in dem Moment, in dem Beinlein ebenfalls die Waffe zücken wollte. Abgelenkt von dem Gegröle der Zechenden hatte Utz allerdings den Fehler begangen, sich kurz abzuwenden, sodass ihn der wuchtige Schlag wie aus heiterem Himmel traf. Während ihm das Blut aus der Nase schoss, ging er wie ein gefällter Baum zu Boden, wo er benommen liegen blieb. Als Markus Beinlein ihm einen weiteren Schlag ins Gesicht versetzte, brachen die Betrunkenen in Gelächter aus, das allerdings verstummte, sobald der Bader sie anfuhr: »Macht, dass ihr weiterkommt! Hier gibt es nichts zu sehen!« Als sie seinem Befehl nicht sofort Folge leisteten, steckte er die Finger in den Mund und pfiff zwei Kerle aus dem Inneren des Gebäudes herbei, damit diese die Schaulustigen vertrieben. All die Zeit über bohrte sich sein Knie schmerzhaft in Utz’ Magen.
    »Lass dich hier nie wieder blicken!«, zischte ihm der Bader schließlich ins Ohr und hob den Dolch auf, der Utz entglitten war. »Sonst rufe ich die Wache und du wirst dein blaues Wunder erleben!« Er steckte die Waffe in den eigenen Gürtel, wischte sich die Hände an den Hosen ab und verschwand im Badehaus. Aus dem war er seither nicht mehr aufgetaucht. Jedenfalls nicht dann, wenn Utz ihm – entgegen der Warnung – dort aufgelauert hatte.
    Mit einer Grimasse betastete der junge Mann seine Nase, die, Gott sei Dank, nicht gebrochen, sondern nur auf ihre doppelte Größe angeschwollen war. Seine Augen zierten zwei violette Ringe, die weit und breit verkündeten, dass er eine tüchtige Tracht Prügel eingesteckt hatte. Nicht nur sein Stolz war angeknackst, auch die Hoffnung, Zehras Unschuld beweisen zu können, war weiter geschwunden. Wie so oft seit ihrer Verbannung überkam ihn Verzweiflung, die so heftig war, dass er sich mit einem Stöhnen in dem Sessel zusammenkrümmte. Wo war seine Schwester nur? Was in drei Teufels Namen war mit ihr geschehen? Er zog die Beine an die Brust und versuchte, die in ihm aufsteigende Übelkeit zu schlucken.
    Doch ein bitterer Geschmack ließ ihn schließlich mit einem Würgen aufspringen. Während der Raum sich um ihn zu drehen begann, wankte er ans Fenster, tastete blindlings nach den Haken und lehnte sich hinaus, um die frische Frühlingsluft einzuatmen. Nach einigen Augenblicken legte sich der Schwindel, und er gewann die Kontrolle über sich zurück.
    Ohne sie wirklich zu sehen, blickte er auf die kunterbunte Menge von geschäftigen Ulmern hinab, die in alle Richtungen

Weitere Kostenlose Bücher