Der Teufelsfürst
dem Stalltor zu Boden und übergab seinen Schatz einem Knecht, dem er auftrug, ihn zu tränken. Dann sah er der prallen Hinterhand nach und kratzte sich am Kinn.
Obwohl er tagelang überlegt hatte, ob es klug war, dem jungen Mann das Angebot zu unterbreiten, hatte ihn der gestrige Verlust schließlich alles Zögern vergessen lassen. Nachdem ihm bei dem Würfelspiel im Schankraum der Krone zuerst das Glück hold gewesen war, hatte sich das Blatt bald darauf gewendet. Der Nürnberger Ritter an seinem Tisch hatte ihm fast das letzte Hemd ausgezogen. Als ihm am heutigen Morgen dann auch noch sein Bancherius Nachricht hatte zukommen lassen, dass die Instandhaltung seiner Besitztümer mehr Geld verschlingen würde als veranschlagt, hatte Ulrich beschlossen, nicht länger zu warten. Da sein Vermögen offenbar dahinschmolz wie Eis in der Sonne, durfte er sich für das, was er vorhatte, nicht zu fein sein!
»Gibt es Probleme mit dem Tier?« Die Frage ließ ihn herumwirbeln und den Sprecher überrascht mustern. Seitdem er den Katzensteiner das letzte Mal gesehen hatte, schien der junge Mann nicht nur um Jahre gealtert, sondern auch in eine zünftige Prügelei verwickelt worden zu sein. In den blau umrahmten Augen lag ein Ausdruck, der Ulrich um ein Haar Mitleid abgerungen hätte. »Nein, nein«, erwiderte er hastig. »Ein wirklich prachtvolles Tier.« Er beäugte den Mann, der hinter dem Katzensteiner auftauchte, mit einer Mischung aus Misstrauen und Verwunderung. Dieser – hager und hochgewachsen – schien das Gespräch belauschen zu wollen. Als Ulrichs Gegenüber seinem Blick folgte und den Mann entdeckte, trat eine Falte zwischen seine Augen. »Verzeiht«, sagte der junge Händler an Ulrich gewandt. Mit einer rüden Handbewegung gab er dem Kerl zu verstehen, sich zu entfernen. »Martin, hilf Rüdeger beim Abfertigen«, befahl er mit einem schneidenden Unterton. »Ich komme hier allein zurecht.« Die spitzen Züge des Angesprochenen schienen noch spitzer zu werden, als er den Mund zu einem dünnen Lächeln verzog und Anstalten machte, dem Befehl Folge zu leisten. Deutlich irritiert widmete der junge Mann seine Aufmerksamkeit wieder Ulrich, den er angespannt ansah. »Was kann ich für Euch tun?«, fragte er. Ulrich räusperte sich. »Nun«, hub er an, »ich habe Euch einen Vorschlag zu machen, der Eure Schwester betrifft.« Die Augen des Katzensteiners weiteten sich überrascht.
»Was wisst Ihr von meiner Schwester?«, fragte er heiser.
»Geht es ihr gut? Wo ist sie?« Ulrich verkniff sich nur mühsam ein zufriedenes Grinsen. Also hatte Jörg von Berg recht gehabt mit seiner Vermutung. Er hob beschwichtigend die Hand und versetzte: »Was hieltet Ihr davon, wenn ich ihr meinen Schutz anböte? Der Preis dafür wäre nichts weiter als der Hengst.« Zu seinem grenzenlosen Erstaunen brach der junge Händler nicht in Freudentränen aus, sondern stellte eine säuerliche Miene zur Schau, kaum hatte er die Bedeutung der Worte verarbeitet. »Damit wärt ihr schon der Zweite, der sie beherbergen will«, erwiderte er trocken und sah Ulrich herausfordernd an. »Aber Euer Preis ist wesentlich höher als der des anderen.« Ulrich wollte seinen Ohren nicht trauen. Sollte dieser freche Bengel sein Angebot tatsächlich ausschlagen wollen? Einen Moment lang malte er sich aus, was er mit ihm machen würde, wenn er einer seiner Untertanen wäre. Doch als der Bursche etwas hinzusetzte, horchte er auf. »Es gäbe allerdings eine Möglichkeit, wie wir ins Geschäft kommen könnten.« Er machte eine Pause, in der er sich fahrig über die Stirn wischte. »Ihr müsstet sie nur zuvor finden.«
Kapitel 23
In der Nähe von Augsburg, Ende März 1447
Allmählich ließ der schmerzhafte Husten nach, und Zehra empfand so etwas Ähnliches wie Appetit. Auch wenn sie sich immer noch nicht aus eigener Kraft aufrichten konnte, fiel ihr das Schlucken leichter und die grässlichen Schmerzen waren abgeklungen. Zwar fühlte sie sich noch unglaublich schwach, doch wenigstens kehrte ihre Erinnerung in immer weiteren Bruchstücken zurück. Und obschon damit auch all das durchlittene Grauen wieder den Weg in ihr Gedächtnis fand, kam sie sich seltsamerweise nicht mehr ganz so hilflos vor wie noch vor einigen Tagen. Inzwischen war sie sicher, dass ihr die Menschen, welche sie aufgenommen hatten, kein Leid zufügen wollten. Vielmehr glaubte sie immer mehr daran, dass Gott ihr diese Schutzengel in menschlicher Gestalt gesandt hatte, damit sie ihr den Weg zurück ins
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