Der Teufelsfürst
Pascha in ferner Zukunft für seine Hilfe einklagen würde, war ihm im Moment vollkommen gleichgültig. Dass er etwas als Gegenleistung verlangen würde, war so gewiss wie das Ende der Welt. Doch ob Vlad diese Verpflichtung einlösen musste oder nicht, würde nur die Zeit zeigen. »Vom heutigen Tag an wirst du jedes Wort dieses Mannes befolgen«, unterbrach Halil Pascha seine Gedanken und schob Vlad auf den grimmig dreinblickenden Offizier zu, dessen Lider immer noch halb gesenkt waren. Über einer goldfarbenen Entari – einem eng geschnittenen Rock – trug er einen blauen Kaftan, dessen Borten reich bestickt waren. Ein hoher Turban bedeckte seinen Kopf, und an seinem Gürtel hingen ein Krummschwert und ein Köcher voller Pfeile. »Das ist der Alaybeği – der Kommandant der Kavallerie«, bemerkte der Großwesir. »Du wirst jedem seiner Befehle gehorchen, ganz gleich, wie er lautet. Küss ihm die Hand.«
Der Offizier hob zum ersten Mal den Blick und streckte Vlad die Rechte entgegen, welche dieser ehrerbietig an die Lippen führte. »Du bist jetzt ein Teil der Kapıkulu Askerleri – der Armee des Sultans«, schnarrte der Kommandant. »Wenn du deinem Herrn Ehre machst, wird er dich belohnen und dir seine Gunst erweisen.«
Vlad unterdrückte ein Schnauben. Stattdessen neigte er scheinbar demütig das Haupt und wartete auf weitere Anweisungen. »Du beginnst deinen Dienst als Sipahi-Bursche«, setzte ihn der Offizier in Kenntnis. »Je härter du arbeitest, desto schneller wirst du in den Rang eines Reiters aufsteigen. Zu Beginn erhältst du einen Sold. Sollte der Sultan dich für würdig erachten, wird dir ein Lehen zugestanden.« Damit war die Sache für ihn erledigt, und er winkte einen der kahl geschorenen Pagen herbei. »Zeig ihm die Ställe«, bellte er. Dann legte er die Fingerspitzen aneinander, berührte Brust, Mund und Stirn damit und verabschiedete sich von Halil Pascha. Dieser entließ Vlad daraufhin mit einer ungeduldigen Geste, doch als der junge Walache den Ausgang schon fast erreicht hatte, schickte er ihm hinterher: »Wenn du dich würdig erweist, darfst du deinen Bruder wiedersehen.«
Falls nicht, so die unausgesprochene Drohung, würde Radu für immer hinter den Mauern des königlichen Harems verschwinden.
Kapitel 21
Ulm, ein Stadthaus, März 1447
Johann von Katzenstein spielte mürrisch mit dem Daumen an seinem Ring, während er mit der anderen Hand in den Resten seines Mittagsmahles stocherte und grübelte. Helwig und Sophia hatten am Morgen das Haus verlassen, um irgendwelchen weiblichen Tand einzukaufen, und waren noch nicht zurückgekehrt. Obwohl er wusste, dass es klüger wäre, all die Fragen in seinem Kopf einfach zu ignorieren, ließ ihm manches einfach keine Ruhe. Seit dem Gespräch mit Helwig sann er immer und immer wieder darüber nach, wie sein Vater wohl an eine Schenkungsurkunde von solch immensem Wert gekommen sein mochte und warum seine Mutter so lange damit gewartet hatte, diese vor dem Stadtgericht einzuklagen. Irgendetwas an ihrer Erklärung gefiel ihm nicht, ließ ihm keinen Frieden und raubte ihm allzu oft den Schlaf. Was hatten Reichtum und Einfluss der falschen Katzensteiner damit zu tun, ob das Schriftstück geprüft wurde oder nicht? Sicherlich würde es das Gericht nicht wagen, die Klage eines Ritters gegen einen Bürger zu ignorieren. So unverschämt waren selbst die Ulmer nicht! Oder machte er sich etwas vor? Zwar leuchtete es ihm ein, dass Helwig auf den richtigen Zeitpunkt hatte warten wollen. Doch wenn das Oberhaupt der Familie nicht verstorben und seine Tochter nicht als Hexe und Mörderin verurteilt worden wäre, was dann? Hätte Helwig das Transsumpt dann bis zum Sankt Nimmerleinstag mit sich herumgetragen? Johann bohrte seinen Zeigefinger in den Kirschbrei vor sich und leckte ihn versonnen ab. Der Verdacht, den er immer wieder verdrängte, kehrte mit aller Macht zurück. Er erfüllte ihn mit Unbehagen und sorgte dafür, dass die Süßspeise auf einmal bitter schmeckte. Sollte Helwig den Bader nicht nur dazu getrieben haben, gegen die junge Frau auszusagen, sondern noch weitaus Schlimmeres zu tun? Er wischte sich die Finger an der Hose ab und schob die Schale von sich. An so etwas sollte er nicht einmal denken! Gewiss wäre es in diesem Fall nicht er , der sich die Hände schmutzig gemacht hatte, sondern Helwig. Aber dennoch hinterließen die zunehmend dunkleren Vermutungen ein Gefühl der Beklemmung. Er schüttelte ungehalten über seine Schwäche den Kopf.
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