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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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blitzte die Sonne kurz hinter der bedrohlichen Wand hervor, während über den Dächern der Stadt ein Regenbogen verblasste. »Wer hat dir denn gesagt, dass du die Kartenspiele auspacken sollst?«, grollte er.
    Gleichzeitig griff er nach der Ecke einer Abdeckung und rümpfte die Nase. »Wenn dieses alte Öltuch auch nur in die Nähe meines Barchents kommt, kannst du dir eine neue Bleibe suchen!« Der Lehrling – ein Bursche kaum jünger als Utz – kämpfte mit der Zeltleinwand, die in dem mehr und mehr auffrischenden Wind hin und her schlug. Zwar waren die Wände des Standes aus Holzbrettern zusammengezimmert, aber die Stirnseite bot dem Sturm genug Angriffsfläche. Wenn das Wetter weiter so verrückt spielte, würden die Markttage eine ungemütliche Zeit werden. »Martin!«, brüllte Utz. »Kannst du hier mal mit anpacken?« Ohne auf eine Antwort seines Verwalters zu warten, zog er sich die Kapuze seines Umhanges über den Kopf und stapfte über das aufgewühlte Gras in Richtung Koppeln davon. Dort angekommen schnappte er sich das Halfter eines Fuchses, tauschte es gegen ein Zaumzeug aus und warf den Sattel auf den Rücken des Tieres. Dann setzte er einen Fuß in den Steigbügel und stemmte sich in die Höhe. Er musste endlich die Auswahl treffen, welche der Araber er auf dem Markt anbieten wollte. Aufgrund der für die Jahreszeit ungewöhnlich rauen Witterung hatte er beschlossen, nur mäßig wertvolle Tiere dem Risiko eines Hagelsturmes auszusetzen. Seine Miene wurde sauertöpfisch. Ohnehin würden die billigen Klepper der Konkurrenz reißenderen Absatz finden als die hochpreisigen Vollblüter. Denn bei solchen Wetterverhältnissen würde die Messe viel zu wenig reiche Adelige anziehen.
    Mit dröhnendem Kopf trabte er auf das Herdbruckertor zu, während die ersten dicken Tropfen auf das Fell des Fuchses klatschten. Da die Ulmer wussten, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Himmel seine Schleusen ganz öffnete, waren die Gassen wie leer gefegt. Und sobald mit einem Donnerschlag der Regen richtig einsetzte, wünschte auch Utz sich einen Unterstand. Leise fluchend lenkte er den Wallach über die schlüpfrigen Kopfsteine, in deren Zwischenräumen sich gelbe Blütenstaubbäche bildeten. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, einen Abstecher zum Badehaus zu machen. Aber obgleich es ihn mit jeder Faser drängte, endlich Hand an den verfluchten Markus Beinlein zu legen, wusste er, dass er ihn bei diesem Mistwetter ganz gewiss nicht im Freien antreffen würde. Und wie unklug es war, in das Badehaus zu stürmen und lauthals nach ihm zu verlangen, hatte er vor zwei Wochen feststellen dürfen. Kaum hatte er sich nämlich bebend vor Mordlust inmitten der Badenden wiedergefunden, war ihm aufgegangen, wie töricht, ja gar gefährlich sein Verhalten sein konnte. Denn nicht nur der Vorsteher der Kaufmannszunft hatte sich in einem der großen Zuber von zwei Badegehilfinnen bedienen lassen; auch vier Ratsmitglieder und andere angesehene Bürger hatten seinen Auftritt mit Befremden verfolgt. Deshalb hatte er sich mit puterrotem Kopf zurück ins Freie gedrückt und sich zum ersten Mal in seinem Leben in einem Gasthaus betrunken. Er hob die Hand an die Schläfe und fragte sich, ob die furchtbaren Kopfschmerzen immer noch von dem Rausch herrührten. Das Auftauchen seines Hoftores ersparte ihm weiteres Grübeln. Für Rachegedanken war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, redete er sich ein. Der Markt war alles, was zählte! Prustend rutschte er vor den Stallgebäuden aus dem Sattel und trug einem Stallknecht auf, den Wallach zu versorgen, während er selbst ins Trockene rannte und seinen durchnässten Umhang über einen Balken warf. Er schüttelte sich wie ein Hund, ehe er sich auf den Weg zu den Boxen der Vollblüter machte.
    Die Auswahl der Tiere und das Trommeln des Regens hatten eine seltsam beruhigende Wirkung. Und als nach einer knappen Stunde einer der Knechte an seiner Seite auftauchte, hatte sich das Hämmern in seinem Kopf gelegt. »Entschuldigt, Herr«, sagte der Mann. »Das hier ist gekommen, während Ihr auf der Bürgerwiese wart.« Er hielt ihm einen schmutzigen Fetzen entgegen, der nur an dem roten Wachspunkt als Brief zu erkennen war. Utz runzelte die Stirn und griff nach dem mitgenommenen Stück Papier. Kaum erkannte er die halb verschwommene Handschrift darauf, stieß er einen ungläubigen Laut aus. »Herr im Himmel, das kann nicht sein!«, stammelte er heiser und brach das Siegel auf. Während

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