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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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stinkenden Qualm der Feuerstellen beinahe überdeckt. Zuerst hatte sie gefürchtet, das Haus würde brennen. Doch dann waren ein menschliches Grunzen und Stöhnen an ihr Ohr gedrungen. Vorsichtig hatte sie sich aus der Bettdecke geschält, um nachzusehen, was vor sich ging. Zwar waren das Gestöhne und Gekicher unmissverständliche Anzeichen, aber sie wollte einfach nicht glauben, was ihr Verstand ihr zuschrie. Sicherlich gab es eine andere Erklärung für das Tollen am anderen Ende des Ganges, das mehr schlecht als recht durch die dünnen Wände gedämpft wurde. Sie huschte auf Zehenspitzen über die leise knarrenden Dielen, bis sie die Tür erreichte, hinter der Herzog Michel nach der letzten Unterredung kurz vor Mitternacht verschwunden war. Obgleich die Geräusche hier noch deutlicher auf das hinwiesen, was sich in dem Raum abspielte, lugte Zehra argwöhnisch durch das Schlüsselloch.
    Doch sogleich zuckte sie zurück, als habe ihr jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt. Beleuchtet vom Schein eines Feuers umschlangen sich zwei Gestalten, deren nackte Haut schweißnass glänzte. Mächtige Muskeln spielten auf dem Rücken des Mannes, als dieser hart in die junge Frau unter sich stieß. Der zarte Mädchenkörper wirkte verletzbar und zerbrechlich, doch der Ausdruck auf dem Gesicht der Buhle strafte diesen Eindruck Lügen. Kaliya! Mit schamesroten Wangen wich Zehra von der Tür zurück und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand. Aber auch wenn ihr das Herz bis zum Hals schlug, gab sie wenige Augenblicke später der Versuchung nach und kauerte sich ein weiteres Mal vor das Schlüsselloch. Abgestoßen und angezogen zugleich verfolgte sie, wie Herzog Michel sich von dem Mädchen rollte, das eigentlich in Zehras Kammer hätte schlafen sollen. »Großartig«, murmelte er und wischte sich das zerzauste Haar aus der Stirn. Kaliyas Zähne schimmerten, als sie den hünenhaften Zigeuner anlächelte und sich zur Bettkante schob. »Was für ein Jammer«, sagte dieser und verfolgte faul, wie die junge Frau sich erhob und nach ihrem Nachtgewand griff. »Dieser Taugenichts Filip hat dich nicht verdient.« Er grinste breit. »Aber vielleicht langweilt er dich irgendwann ...« Kaliyas Augen leuchteten bei diesen Worten, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Wenn ich erst einmal ein Kind trage, werdet Ihr mich nicht einmal mehr eines Blickes würdigen.« Sie wandte sich der Tür zu. Hastig sprang Zehra auf. Während es in ihrem Inneren unerwartet brodelte und kochte, fegte sie zurück in das winzige Zimmer und kroch behutsam unter die Decke. Vranka, ihre Bettgefährtin, protestierte mit einem leisen Brummen, wachte jedoch nicht auf.
    Als sich wenig später die Tür öffnete und Kaliya sich ebenfalls in ihr Bett stahl, stellte Zehra sich schlafend. Warum dieses Zwischenspiel sie so in Aufruhr brachte, wusste sie nicht.
    Erwiesen war lediglich, dass der Anblick der beiden Liebenden sie zornig machte. Zorniger beinahe als die Kunde von dem Aufbruch aus Augsburg, der all ihre Pläne über den Haufen geworfen hatte. Bestrebt, gleichmäßig zu atmen, lauschte sie Kaliyas Bemühungen, sich ihren Platz zurückzuerobern, während sie deren Glückseligkeit deutlich zu spüren glaubte. Wütend biss sie die Zähne aufeinander und fragte sich, warum es ausgerechnet einem Mann, den sie eigentlich hassen sollte, gelang, sie plötzlich so aufzuwühlen. Seit dem niederschmetternden Morgen, an dem Michel verkündet hatte, dass sie von Augsburg aus weiterziehen würden, war sie von einer überwältigenden Taubheit erfüllt. Einer Taubheit, die jedes andere Gefühl verdrängte – sei es Schmerz, Furcht oder Trauer. War doch mit diesem Aufbruch ihre ohnehin nur mühsam genährte Hoffnung verwelkt wie eine Pflanze in der Wüste. Aber jetzt, in der vollkommenen Dunkelheit des fensterlosen Raumes, fühlte sie, wie sich das dumpfe Gefühl tief in ihr in etwas Spitzeres verwandelte, das sie zu immer mehr Wut anstachelte.
    Nicht nur, dass der Zigeuner ausgerechnet zwei Tage, nachdem sie den Brief an Utz abgeschickt hatte, Augsburg den Rücken kehren musste! Er musste auch noch Kaliya zu sich befehlen! Ehe sie es verhindern konnte, war der Gedanke weitergesponnen: anstatt sie selbst! Scham gesellte sich zu ihrer Wut und sie kräuselte die Lippen. Was war nur in sie gefahren? Wieso empfand sie es als Erniedrigung, dass Michel sie kaum wahrnahm, wenn er ihr nicht gerade einen Brief diktierte? Immerhin war er nichts weiter als ein Fahrender! Ein Mitglied eines

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