Der teuflische Lord (German Edition)
jetzt auch noch eröffnete, dass sie diese eine Nacht, in der sie weg war, in der Gesellschaft eines Unbekannten verbracht hatte, war das sicher keine gute Idee. Sie wollte einfach nicht, dass der Recke ihretwegen Schwierigkeiten bekäme. Oder schlimmer noch, der Rache des Teufels von Thorn ausgesetzt wäre.
Melisande hatte also darauf verzichtet, Protest gegen ihre Ergreifung zu erheben oder nach Hilfe zu rufen. Es war besser, wenn der Ritter annahm, dass sie sich alleine auf den Weg gemacht hatte. Oder dass sie es leid gewesen war, sich um einen Kranken zu kümmern. Jede dieser Annahmen war besser als eine Konfrontation zwischen Nikolas und den Männern ihres Oheims, die ihn in seinem derzeitigen Zustand leicht vernichten konnten.
Auf der Burg ihres Onkels angekommen, wo sie die letzten Monate seit dem Tod ihres Vaters zugebracht hatte, wurde ihr bewusst, dass sie jetzt ganz auf sich alleine gestellt war. Anouk, ihre Freundin, Vertraute und Mutterersatz, war ganz sicher nicht von alleine zur Burg zurückgekehrt. Wenn man sie noch nicht aufgegriffen hatte, dann würde sie ihre Rolle weiterspielen und versuchen etwaige Verfolger zu täuschen.
Melisande wusste nicht, wie sie ihr eine Nachricht zukommen lassen konnte, dass ihr gemeinsamer Plan gescheitert war. Obwohl sie sich darüber eigentlich gar keine Gedanken machen müsste. Viel wichtiger war es, in Erfahrung zu bringen, wo sich Anouk jetzt aufhielt und ob es ihr gut ging. Aber Melisande wagte es nicht, eine diesbezügliche Frage an ihren Oheim zu stellen. Würde der überhaupt darauf eingehen und Anouk suchen lassen, falls er sie noch nicht aufgegriffen hatte? Für den Oheim war sie nur eine unwichtige Dienerin, die zusammen mit seiner Großnichte zu ihm gekommen war. Er wusste sicher nicht, wie eng die Verbundenheit zwischen ihnen war. Und wenn er es wüsste, dann würde er es sicher als gerechte Strafe ansehen, dass sie von der Person getrennt worden war, die sie dabei unterstützt hatte, einer Verbindung zu entgehen, die er für sie arrangiert hatte.
Dennoch würde sie die Bitte äußern, dass man nach Anouk suchte, auch wenn diese weiter versuchen würde nicht gefunden zu werden. Keine von ihnen beiden hatte sich darüber Gedanken gemacht, wie die jeweils andere davon erfahren sollte, ob ihr Vorhaben geglückt war. Aber vielleicht würde Anouk ja zum Kloster kommen, wenn sie der Überzeugung war, dass keine Gefahr mehr drohte. Dann würde sie zumindest erfahren, dass sie, Melisande, nie dort angekommen war.
* * *
Edgar de Brugh raufte sich die wenigen grauen Haare, die er noch hatte. Er wusste nicht wirklich, was er jetzt zu tun hatte. Er war ganz einfach mit der Situation überfordert, er, der nie eigene Kinder gehabt hatte. Er hatte sich die ganze Sache nicht so schwierig vorgestellt, sich um das Kind seines verstorbenen Neffen zu kümmern. Schließlich war die Maid bereits aus den Kinderschuhen heraus, und seine Aufgabe bestand eigentlich nur noch darin, ihr über ihren Verlust hinwegzuhelfen und eine gute Partie für sie zu finden.
Für den ersten Punkt hatte er nicht viel getan, da das Mädchen sich in diesem Fall vor allem an ihre Gefährtin hielt, die sie seit dem Tod ihrer Mutter aufgezogen hatte. Mit der Suche nach einer guten Partie hatte er ebenfalls Glück gehabt.
Der junge Lord Thorn war nicht nur sein Nachbar, sondern auch ein Mann, der ganz alleine in der Welt stand, seit seine Familie einem grauenhaften Verbrechen zum Opfer gefallen war. Dass der Junge jemanden brauchte, der den schlimmen Verlust mit Sanftheit und Liebe erträglich machte, war deshalb Edgars tiefste Überzeugung. Das sanfte Mädchen, das nun ebenfalls alleine war, würde sicher diese Leere füllen können. Genauso wie Thorn den Platz einnehmen konnte, der durch den Tod ihres Vaters verwaist war.
Edgar hatte ja nicht ahnen können, dass eine Ehe nicht das war, was sein Mündel sich erhoffte. Er war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich jede Frau ihren eigenen Haushalt, einen Gatten und Kinder wünschte, wenn sie das passende Alter dafür erreicht hätte. Eine Annahme, mit der er ganz offensichtlich falsch gelegen war.
Es war nicht so, dass er das Mädchen schnell wieder loswerden wollte, denn die neue ungewohnte Gesellschaft in seinem Heim verströmte nur durch ihre Anwesenheit schon eine anheimelnde Wärme. Aber er war eben schon ziemlich alt, und die Umstellung fiel ihm deshalb nicht ganz so leicht. Außerdem befürchtete Edgar, dass er womöglich
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