Der Thron der roten Königin
sich nur darauf einlassen? Wie konnte der König dem zustimmen?»
«Wer weiß, was in seinem Kopf vorgeht, diese arme Seele?», lenkt mein Gemahl ein. «Wer weiß, was er noch mitbekommt und ob er diesmal wirklich wach bleibt? Und wenn er wieder einschläft oder gar stirbt und York den Thron an sich reißt, dann wird York zumindest imstande sein, dem Land Frieden zu bringen.»
«Darum geht es doch gar nicht!», fahre ich ihn an. «York ist nicht von Gott berufen. York stammt nicht von der älteren Linie von Edward III . ab. York ist nicht aus königlichem Hause – aber wir, wir sind es! Ich! Mein Sohn! Dies ist
meine
Bestimmung, die der König verschenkt!» Ich schluchze zitternd auf. «Dafür wurde ich geboren; dafür wurde mein Sohn geboren! Der König kann uns nicht zu königlichen Cousins machen; wir sind in die königliche Linie hineingeboren worden!»
Er sieht auf mich herab, und dieses eine Mal sind seine braunen Augen nicht freundlich, sondern finster vor Zorn. «Genug», knurrt er. «Du bist eine dumme, junge Frau von, wie vielen? … ja, von siebzehn Jahren, und du verstehst nichts, Margaret. Du solltest still sein. Dies ist keine Ballade, kein Märchen, kein Ritterroman. Dies ist ein Verhängnis, das die Männer und Frauen Englands jeden Tag teuer zu stehen kommt. Dies hat weder etwas mit Johanna von Orléans zu tun noch mit dir und – Gott weiß – gewiss nichts mit ihm.»
Er macht sich los und geht fort, vorsichtig schreitet er die Stufen zu seinen Gemächern hinauf. Er ist steif vom langen Reiten und humpelt o‑beinig. Hasserfüllt sehe ich ihm nach, ich halte die Hand vor den Mund, um mein Schluchzen zu unterdrücken. Er ist ein alter Mann, ein alter Narr. Ich kenne den Willen Gottes besser als er. Gott ist – und war – immer für Lancaster.
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Winter 1460
I ch habe vollkommen recht, und mein Gemahl hat unrecht, obwohl er mein Gemahl ist und gesetzlich über mir steht. Dies erweist sich in der Weihnachtszeit, als der Duke of York, zusammen mit einer kleinen Wachmannschaft – darunter sein Sohn Edmund, Earl of Rutland –, vor den Mauern seiner eigenen Burg in Sandal gefangen genommen wird und beide, York und sein Sohn, brutal von unseren Soldaten niedergemetzelt werden. Ausgerechnet er, der angeblich so schlau ist, so brillant in der Schlacht. So viel zu dem Mann, der König werden und die königliche Linie für sich reklamieren wollte!
Die Armee der Königin verhöhnt seinen zerfleischten Leichnam. Sie enthauptet ihn, setzt ihm eine Papierkrone auf und steckt den Kopf auf das Tor von York, damit er sein Königreich sehen kann, bevor ihm Krähen und Bussarde die toten Augen auspicken. Er stirbt den Tod eines Verräters, und mit ihm sterben die Hoffnungen von York. Denn wer ist noch übrig? Ein großer Verbündeter, der Earl of Warwick, hat nur nutzlose Töchter, und die drei restlichen Söhne Yorks – Edward, George und Richard – sind zu jung, um aus eigener Kraft eine Armee anzuführen.
Ich triumphiere nicht über meinen Gemahl, denn wir haben uns darauf geeinigt, friedlich zusammenzuleben. Wir feiern Weihnachten mit unseren Pächtern, unserem Gefolge und den Dienern, als bebte die Welt nicht vor Unsicherheit. Wir sprechen nicht über das geteilte Königreich; er bekommt zwar Briefe von Kaufleuten und Händlern in London, doch er teilt mir nicht mit, was er hört. Ebenso wenig erfahre ich von ihm, dass ihn seine Familie beharrlich drängt, den Tod seines Vaters zu rächen. Obwohl er weiß, dass Jasper mir aus Wales schreibt, fragt er mich nicht nach dessen kürzlich zurückeroberter Burg, Denbigh Castle, geschweige denn, wie der tapfere Jasper sie wieder in seine Gewalt gebracht hat.
Zu Weihnachten schicke ich meinem Sohn Henry einen kleinen Karren auf hölzernen Rädern, den er hinter sich herziehen kann, und mein Gemahl gibt mir einen Schilling, den ich ihm als Kirmesgeschenk mitsenden soll. Im Gegenzug schenke ich ihm einen silbernen Sixpence, für den kleinen Duke of Buckingham, Henry Stafford. Wir sprechen nicht über den Krieg, auch nicht vom Marsch der Königin nach Süden an der Spitze von fünftausend mordlustigen Schotten, von Jägern, die das Blut des yorkistischen Rebellen geleckt haben und noch mehr verlangen. Ich verschweige ihm auch, dass ich glaube, dass unser Haus wieder triumphiert hat und im nächsten Jahr siegreich sein wird, weil es einfach so sein muss, da wir von Gott gesegnet sind.
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Frühjahr 1461
W ie jeder
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