Der Thron der roten Königin
ich getraue mich nicht, vor meinem Gatten und den Wachen etwas hinzuzufügen.
«Ich schreibe dir», verspricht Jasper. «Pass gut auf den Jungen auf. Und verzieh ihn nicht.»
Ich ärgere mich so sehr, dass Jasper mir erklären will, wie ich mit meinem Sohn umzugehen habe, dass es mir für einen Moment die Sprache verschlägt. Dann beiße ich mir auf die Lippen. «Mache ich.»
Jasper wendet sich an meinen Mann: «Danke, dass Ihr gekommen seid», sagt er förmlich. «Es ist gut, Euch Henry anzuvertrauen, einem Vormund, auf den ich zählen kann.»
Mein Gemahl neigt den Kopf. «Viel Glück», sagt er leise. «Ich werde sie beide beschützen.»
Jasper dreht sich auf dem Absatz um. Doch er wendet sich noch einmal Henry zu und drückt ihn in einer kurzen, harten Umarmung an sich. Als er den kleinen Jungen liebevoll hinunterlässt, stehen in Jaspers blauen Augen Tränen. Dann nimmt er die Zügel seines Pferdes und führt es vorsichtig und ruhig über die Rampe auf das Schiff. Ein Dutzend Männer schließt sich an, der Rest wartet bei uns. Ich richte den Blick auf ihre fassungslosen Gesichter, als ihr Lord und Feldherr dem Kapitän zuruft, er könne ablegen.
Sie werfen die Taue ins Schiff und setzen die Segel. Erst scheint es, als bewegte sich nichts, doch dann beginnen die Segel zu flattern und sich langsam aufzublähen. Wind und Gezeiten ziehen das Schiff von der kleinen Hafenmole fort. Ich lege meinem Sohn die Hand auf die Schulter; er zittert wie ein Fohlen. Bei der Berührung wendet er den Kopf nicht um; er bemüht sich zu sehr, seinen Vormund nicht aus den Augen zu lassen. Erst als das Schiff nur noch ein winziger Punkt auf dem Meer ist, holt er bebend Luft und lässt den Kopf sinken. Seine Schultern heben sich unter einem Schluchzer.
«Möchtest du vor mir sitzen?», frage ich ihn leise. «Du kannst vor mir sitzen wie vor Jasper.»
Er sieht zu mir hoch. «Nein, vielen Dank, Mylady», verneint er höflich.
***
In den folgenden Wochen, die wir auf Pembroke Castle verbringen, widme ich mich ganz meinem Sohn. Eine bewaffnete Bande, nicht viel mehr als Briganten, macht die Straße nach England unsicher, und mein Gemahl hat beschlossen, es sei sicherer für uns, auf Pembroke zu warten, bis sie weitergezogen sind, anstatt loszureiten und ihnen womöglich in die Arme zu laufen. Also sitze ich bei meinem kleinen Henry, wenn er von seinem Lehrer unterrichtet wird, den Jasper eingestellt hat, ich reite am Morgen mit ihm aus und beobachte ihn, wenn er mit der kleinen Stechpuppe, die Jasper ihm bauen ließ, im Feld hinter den Ställen Übungen im Tjosten macht. Wir reiten zusammen zum Fluss, besteigen ein Fischerboot und lassen den Diener am Strand ein Lagerfeuer anzünden, damit wir unseren Fang auf Stöcken grillen können. Ich schenke ihm Spielsachen, ein Buch und ein Pony, nur für ihn allein. Ich übertrage seine Tagesgebete höchstpersönlich ins Englische, in einer besseren Übersetzung aus dem Lateinischen. Ich spiele mit ihm Fangen und Karten. Ich singe Kinderlieder und lese ihm auf Französisch vor. Ich bringe ihn ins Bett, und abends machen wir Pläne für den nächsten Tag. Morgens wecke ich ihn lächelnd auf. Ich maßregele ihn nie – das überlasse ich seinem Lehrer. Ich schicke ihn nie zum Umziehen oder schimpfe mit ihm, weil er sich schmutzig gemacht hat – das überlasse ich der Kinderfrau. Für ihn bin ich die vollkommene Spielgefährtin, immer glücklich, immer zum Spielen bereit, immer damit einverstanden, dass er das Spiel aussuchen darf, immer froh, wenn ich ihn gewinnen lassen kann. Am Abend kniet er am Fuß seines Bettes, und ich knie neben ihm. Und jeden Abend – haben wir am Tag noch so viel unternommen, ist er noch so sorglos herumgetobt – betet er zu Gott, er möge seinen Onkel Jasper heimschicken, damit er wieder glücklich sein könne.
«Warum vermisst du Jasper noch immer so sehr?», frage ich ihn und ziehe die Laken glatt. Ich bemühe mich, meinen Ton leicht, fast gleichgültig, klingen zu lassen.
Sein kleines Gesicht strahlt auf dem weißen Leinenkissen, sobald ich seinen Onkel nur erwähne. «Er ist mein Lord», sagt er nur. «Wenn ich groß bin, reite ich mit ihm aus. Wir bringen England Frieden, und wenn das getan ist, führen wir zusammen einen Kreuzzug. Wir werden nie getrennt. Ich werde ihm den Lehnseid schwören, und ich bin der Sohn, den er nie hatte. Er ist mein Lord. Ich bin sein Mann.»
«Aber ich bin deine Mutter», bemerke ich. «Jetzt bin ich hier, um mich um dich zu
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