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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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mein Gemahl freundlich, steht auf und streckt mir die Hand entgegen. «Komm, Margaret.»
    Ich zögere. Ich möchte noch mit Jasper am Kamin sitzen bleiben. Er reist morgen ab, und wir hatten keine Zeit für uns allein. Ich frage mich, warum mein Gemahl das nicht bemerkt, warum er nicht versteht, dass ich etwas Zeit allein mit dem Freund meiner Kindheit brauche, dem Vormund meines Sohns.
    Hätte ich ihn nur angesehen, so hätte mir sein mattes Lächeln verraten, dass er dies – und noch einiges mehr – vollkommen verstand. «Nun komm, Gattin», wiederholt er zärtlich, und bei dieser Aufforderung erhebt sich Jasper, nimmt meine Hand und verbeugt sich, sodass ich mit meinem Gemahl ins Bett gehen und meinen liebsten, meinen einzigen Freund verlassen muss. Dort am Feuer, an unserem letzten Abend, in dem Heim, das wir einst teilten.
    ***
    Am nächsten Morgen lerne ich eine ganz neue Seite an meinen Sohn Henry kennen. Er strahlt vor Freude übers ganze Gesicht; er ist der kleine Schatten seines Onkels und folgt ihm überallhin, wie ein verzückter Welpe. Seine Manieren sind ebenso wunderbar wie am Vortag, vielleicht sogar noch besser, denn er weiß, dass sein Vormund ihm zusieht. Doch heute steckt Freude in jeder Bewegung, wenn er in Jaspers anerkennendes Lächeln hochsieht. Er dient ihm wie ein Page, bleibt hinter ihm stehen und reicht ihm stolz die Handschuhe oder tritt mit den Zügeln seines gesattelten Pferdes vor. Einen Stallburschen weist er knapp zurecht: «Lord Pembroke mag diese Gerte nicht. Bring ihm die geflochtene!» Und der Junge verbeugt sich gehorsam und macht auf dem Absatz kehrt.
    Jasper und er inspizieren die Wache, die uns nach Tenby begleitet. Henry ahmt Jaspers Gang nach, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Blick aufmerksam in die Gesichter der Männer gerichtet, auch wenn er zu ihnen hochsehen muss. Manchmal bleibt er, genau wie Jasper, stehen, um eine fachmännisch gepflegte Waffe oder ein sorgfältig gestriegeltes Pferd zu würdigen. Meinem Sohn zuzusehen und in ihm das Ebenbild seines Onkels, des großen Feldherrn, zu erkennen, ist, als würde man einem Prinzen in seinen Lehrjahren zusehen.
    «Auf was für eine Zukunft bereitet Jasper ihn vor?», raunt mir mein Mann ins Ohr. «Er macht ja einen kleinen Tyrannen aus ihm!»
    «Er ist der Überzeugung, dass Henry einmal über Wales herrschen wird, wie sein Vater und sein Großvater vor ihm», gebe ich knapp zurück. «Mindestens.»
    «Und höchstens?»
    Ich wende den Kopf ab, ohne ihn einer Antwort zu würdigen, denn ich kenne und teile Jaspers Ehrgeiz im Hinblick auf die königliche Stellung meines Sohnes. Jasper zieht einen Erben für den englischen Thron groß.
    «Wenn sie Waffen oder wenigstens Stiefel hätten, wäre das Ganze etwas beeindruckender», flüstert mein Gemahl, der Engländer, mir leise ins Ohr. Und erst jetzt bemerke ich, dass viele Männer tatsächlich barfuß sind, nur mit Sicheln oder Knippen bewaffnet. Es ist eine Armee von Bauern, keine ausgebildeten Soldaten. Ein großer Teil von Jaspers gut ausgerüsteter, kampferprobter Truppe fiel unter den drei Sonnen am Mortimer’s Cross, der Rest in Towton.
    Jasper erreicht das Ende der Reihe und schnalzt mit den Fingern nach seinem Pferd. Henry nickt dem Stallburschen zu, als wollte er ihm auftragen, sich zu beeilen. Er soll vor seinem Onkel im Sattel sitzen, und die selbstsichere Art, mit der Jasper sich in den Sattel schwingt und hinabbeugt, um Henry hochzuhieven, verrät mir, dass sie das schon oft gemacht haben. Henry reckt sich in die Höhe, Jaspers großer Hand entgegen, und wird vor ihm in den Sattel gehoben. Er schmiegt sich in den festen Griff seines Onkels und strahlt vor Stolz.
    «Vorwärts, marsch», befiehlt Jasper ruhig. «Für Gott und Tudor.»
    ***
    Ich war mir sicher, Henry würde weinen, wenn wir den kleinen Fischerhafen Tenby erreichen, Jasper ihn hinunterlässt und selbst vom Pferd springt. Einen Moment lang kniet Jasper nieder, sein kupfernes Haupt ganz nah an den braunen Locken meines Sohnes. Dann steht Jasper auf und fordert Henry heraus: «Wie ein Tudor, stimmt’s, Henry?» Und mein kleiner Sohn sieht zu seinem Onkel hoch und antwortet: «Wie ein Tudor, Sir!» Feierlich reichen sie einander die Hand. Jasper klopft ihm so hart auf den Rücken, dass er ihn fast von den kleinen Füßen haut, dann wendet er sich an mich.
    «Gott befohlen», sagt Jasper zu mir. «Ich mag lange Abschiede nicht.»
    «Gott befohlen», antworte ich. Meine Stimme bebt, und

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