Der Thron der roten Königin
Nachricht durch all den Klatsch und Tratsch zu uns durchdringt. «Gott weiß, wo er ist. Wenn Warwick ihn hat, dann wird er ihn gewiss in Sicherheit bringen, aber wenn es so wäre, hätte er uns doch bestimmt eine Nachricht geschickt? Vielleicht versteckt mein Junge sich, vielleicht ist er auch verletzt oder …» Ich unterbreche mich. Der Rest meines Satzes – «vielleicht ist er tot» – ist so klar, als stünde er in der Luft zwischen uns geschrieben.
«Wir bekommen gewiss bald Nachricht», sagt mein Gemahl ruhig. «Und sei versichert, wenn er tot oder verletzt wäre, hätten wir es sofort erfahren. Schau, die Nachricht über Herberts Tod hat uns doch auch sehr schnell erreicht.»
«Wir müssen Henry holen», wiederhole ich.
«Ich reite los», sagt er. «Du kannst nicht mitkommen, auf den Straßen treiben sich zahllose Männer herum, die von der Schlacht kommen, und viele von ihnen sind aufs Plündern aus. Warwick hat Aufruhr und Gefahr ins yorkistische England zurückgebracht. Gott weiß, wo das alles enden soll. Du musst hierbleiben. Ich werde dir zusätzliche Wachen hierlassen, für den Fall, dass sich bewaffnete Banden bis zu uns durchschlagen.»
«Aber mein Sohn …»
«Herbert wird ihm gesagt haben, was er tun soll, falls die Schlacht sich gegen sie wendet. Er wird jemanden bestimmt haben, der sich um ihn kümmern soll. Ich reite zuerst zu Lady Herbert und bringe in Erfahrung, was sie für Nachrichten hat, und von dort nach Edgecote. Vertrau mir, ich finde deinen Jungen.»
«Und wenn du ihn gefunden hast, dann bring ihn her.»
Er zögert. «Das kommt darauf an, wer sein neuer Vormund ist. Wir können ihn nicht einfach zu uns nehmen.»
«Aber wer soll das jetzt entscheiden, wenn York geschlagen ist?»
Er lächelt. «Lancaster, nehme ich an. Du hast gesiegt, schon vergessen? Dein Haus wird jetzt alles entscheiden: Warwick wird König Henry wieder auf den Thron setzen, so wie er ihn heruntergeholt hat. Dann wird Warwick das Land vermutlich regieren, bis der Prinz alt genug ist, und womöglich auch noch länger.»
«Wir haben gesiegt?», frage ich unsicher. Da mein Sohn vermisst wird und sein Vormund tot ist, kommt es mir nicht vor wie ein Sieg, sondern eher, als wären wir in großer Gefahr.
«Wir haben gesiegt», sagt mein Gemahl, und in seiner Stimme schwingt nicht die geringste Freude. «Jedenfalls hat Lancaster gewonnen, und das sind allem Anschein nach wieder einmal wir.»
An dem Morgen, an dem mein vorsichtiger Gemahl sich auf den Weg machen will, erhalten wir einen Brief in Jaspers vertrautem Gekritzel.
Unser Junge ist bei mir, er war bei Lady Herbert in Sicherheit, die sich bei der Familie ihres verstorbenen Gemahls aufhält. Ich bringe ihn nach London, um ihn dem König vorzustellen. Wollt ihr euch dort mit uns treffen, wo unser König wieder auf seinem Thron sitzt, bei Hofe? England ist wieder unser, und Deine Gebete sind erhört worden, Gott sei Dank.
Es ist wie ein Traum, so strahlend wie die Träume meiner Kindheit, wenn ich so lange und intensiv betete, dass mir Visionen erschienen. Wir fahren auf der Barkasse der Staffords die Themse hinunter, die Männer ziehen die Ruder zum Takt der dröhnenden Trommel durchs Wasser, und mein Sohn bestaunt die Menschen am Flussufer, die jubeln, als sie unsere Standarten flattern sehen und einen Blick auf meinen Jungen im Bug des Schiffes erhaschen, einen möglichen Thronfolger. Wir fahren an Westminster vorbei, und ich betrachte die niedrigen Gebäude unten am Flussufer. Irgendwo in der Abtei hält sich die frühere Königin, Elizabeth Woodville, die für ihre Schönheit gerühmte Gemahlin des yorkistischen Königs, in ihrer Zufluchtsstätte auf, vor ihren Feinden versteckt. Dort fragt sie sich, ob sie ihren Gemahl jemals wiedersehen wird. Sie ist einsam und besiegt, und ich bin ganz oben. Ich frage mich, ob sie jetzt vielleicht durch die kleinen dunklen Fenster hinaussieht, ob ihr Blick in diesem Augenblick auf meine Standarte gerichtet ist. Mich schaudert, als könnte ich ihren unheilbringenden Blick spüren, doch ich tue es mit einem Achselzucken ab. Schließlich bin ich die auserwählte Tochter Gottes und mein Haus mit mir. Meinetwegen kann sie dort drinnen bleiben, bis sie schwarz wird, und ihre schönen Töchter mit ihr.
Vom Bug des Schiffes dreht mein Sohn Henry sich mit einem schüchternen Lächeln zu mir um. «Wink ihnen zu, wink deinem Volk zu», fordere ich ihn auf. «Die Menschen freuen sich, dass unsere Familie wieder zu Ruhm und
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