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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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müssen Gräben ziehen und sogar Deiche gegen die steigenden Flusspegel bauen lassen. Die Pächter verspäten sich mit ihren Abgaben, und das Getreide fault auf den Feldern. Mein Gemahl ist bekümmert über den Zustand des Landes, als brächte der Untergang des usurpatorischen Hauses York nur Regen und Unzufriedenheit.
    Die Nachricht geht um, dass die frühere Königin, Elizabeth Woodville – die, wie sich herausstellt, von ihrem König so geliebt wird, dass er fortgelaufen ist und sie alleingelassen hat –, kurz vor einer weiteren Niederkunft steht, obwohl sie sich in Westminster, auf heiligem Boden, im Kirchenasyl befindet. Unser frommer König vergibt ihr selbst diesen letzten ungeheuren und törichten Akt und weigert sich, sie aus ihrem Versteck schleifen zu lassen. Stattdessen schickt er ihr Hebammen und Hofdamen, die sich um sie kümmern sollen. Es erstaunt mich ungemein, dass diese Frau weiterhin so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich habe meinen Sohn Henry nur mit der Unterstützung zweier Hebammen zur Welt gebracht, die zudem noch die Anweisung hatten, mich im Zweifelsfall sterben zu lassen. Doch Elizabeth Woodville beansprucht Hebammen und Ärzte und ihre Mutter, wenngleich sie sich wegen Verrats versteckt hält.
    Sie wird weiterhin bewundert, obwohl niemand ihre legendäre Schönheit sehen kann. Es heißt, die Bürger von London und die Bauern aus Kent versorgten sie mit Essen, und ihr Gemahl sei in Flandern, wo er eine Armee aufstelle, um sie zu befreien. Bei dem Gedanken, dass sie in so viel Aufmerksamkeit schwelgt, knirsche ich mit den Zähnen. Warum sehen die Leute nicht ein, dass sie in ihrem ganzen Leben nicht mehr zustande gebracht hat, als sich mit ihrem hübschen Gesicht und dem unschicklichen Einsatz ihres Körpers einen König zu schnappen? Das ist weder erhaben noch heilig – und doch sprechen die Menschen voller Zuneigung von ihr.
    Und dann kommt uns die schrecklichste Nachricht zu Ohren: Sie hat einen Jungen zur Welt gebracht. Er kann den Thron zwar nicht erben, da sein Vater ihn ein für alle Mal verloren hat, doch dass dem Hause York jetzt ein Sohn geboren wurde, wird auf leichtgläubige Menschen zweifellos Eindruck machen. Sie werden denken, das Schicksal habe seine Hand im Spiel und schenke dem Hause York einen Erben in der Verbannung.
    Wäre ich König, würde ich wohl nicht so gewissenhaft darauf bedacht sein, mich gegenüber einer solchen Person an die Regeln des Kirchenasyls zu halten. Wie kann eine Frau, die weithin als Hexe gilt, den Schutz der Heiligen Kirche in Anspruch nehmen? Wie kann ein Neugeborenes Kirchenasyl beanspruchen? Wie kann eine verräterische Familie unangefochten mitten im Herzen von London leben? Unser König ist ein Heiliger, doch er müsste Männer in seinen Diensten haben, die bereit sind, weltliche Entscheidungen zu treffen; und Elizabeth Woodville und ihre Mutter Jacquetta, die erwiesenermaßen eine berüchtigte Hexe und Renegatin ist, sollten auf ein Schiff gebracht und eiligst nach Flandern verfrachtet werden – dort sollen sie meinetwegen ihre magischen Teppiche weben und ihre Schönheit zur Schau stellen, die Fremden werden sie vermutlich eher zu schätzen wissen.
    Meine kindliche Hochachtung vor Elizabeth Woodvilles Mutter Jacquetta verlor sich rasch, als ich erfuhr, was für eine Art von Frau sie war, und als ich sah, mit welchen Mitteln sie ihre Tochter auf den Thron beförderte. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass die Anmut und die Schönheit, die meine Aufmerksamkeit erregten, als ich ein kleines Mädchen am Hofe König Henrys war, nur die Maske eines äußerst sündigen Charakters waren. Sie hat ihrer Tochter gestattet, sich an die Straßen zu stellen, als der junge König vorbeiritt, und hat als einer der wenigen Zeugen ihrer heimlichen Eheschließung beigewohnt. Sie wurde erste Hofdame und Stimmungsmacherin des yorkistischen Hofes. Eine Frau mit dem geringsten Loyalitäts- und Ehrgefühl brächte so etwas nicht zustande. Sie hat Margarete von Anjou gedient, wie konnte sie da das Knie vor ihrer leichtfertigen Tochter beugen? Jacquetta war als Herzogin von königlichem Geblüt mit der englischen Armee in Frankreich und hat, als sie Witwe wurde, in erschreckender Eile den Gutsherrn ihres verstorbenen Gemahls geheiratet. Unser freundlicher König verzieh ihr diese Lüsternheit und Taktlosigkeit, sodass ihr Gemahl, Richard Woodville, sich Lord Rivers nennen durfte. Sein Titel war ein Tribut an die heidnischen Traditionen ihrer Familie,

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