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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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unserer Männer zurückkehrt. Er reitet auf einem gestohlenen Pferd vor den anderen her, um mir zu berichten, dass mein Gemahl Henry verwundet ist, dem Tod näher als dem Leben. Ich höre ihn allein im Stallhof an, bis jemand auf die Idee kommt, nach einer meiner Ladys zu schicken. Sie stützt mich, während der Mann mir von der Schlacht berichtet, in der das Glück wechselhaft war und die Verwirrung groß. Im dichten Nebel drehte sich die Schlachtformation, und der Earl of Oxford wechselte die Seiten, so wurde jedenfalls behauptet. Als er unsere Männer angriff, gerieten sie in Panik, und Edward stürzte aus dem Nebel hervor wie der Teufel persönlich. Da brach die Front der Lancastrianer zusammen.
    «Ich muss ihm entgegenreiten und ihn nach Hause holen», wende ich mich an den Haushofmeister. «Macht einen Karren fertig, damit wir ihn nach Hause schaffen können, und legt ein Federbett hinein und alles, was er sonst noch braucht. Verbände, nehme ich an, und Arznei.»
    «Ich hole den Arzt, damit er Euch begleitet», sagt er. Ich empfinde es als Tadel, dass ich nie eine große Krankenpflegerin oder Kräuterheilkundige war. «Und den Priester», füge ich hinzu. Er fährt zusammen, ich sehe ihm an, dass er denkt, sein Herr bräuchte die Letzte Ölung, er könnte in diesen Minuten dem Tode bereits nahe sein. «Wir brechen sofort auf», befehle ich. «Heute noch.»
    Ich reite vor dem langsamen Wagen her, doch es ist ein langer, harter Ritt, und ich erreiche Barnet, als die Dämmerung des Frühlingsabends sich über die schlammige Straße legt. Überall am Wegesrand flehen Männer um Hilfe, um nach Hause zu gelangen. Viele liegen sterbend vor den Hecken, weil sie keine Freunde und keine Familie oder sonst jemanden haben, der sich um sie kümmert. Wiederholt werden wir von bewaffneten Truppen von der Straße abgedrängt, die hinter ihrer Armee herstürmen, um sich ihr anzuschließen. Abscheuliches kommt mir unter die Augen: Einem Mann wurde das halbe Gesicht weggeschlagen, ein anderer hat das Hemd über dem Bauch verknotet, damit seine Lunge nicht herausquillt. Zwei Männer klammern sich wie Betrunkene aneinander und versuchen, sich auf drei Beinen nach Hause durchzuschlagen. Ich reite die Straße hinunter. Sooft ich kann, weiche ich auf Felder aus, fort von den Sterbenden, und versuche, die Männer, die auf mich zugetaumelt kommen, nicht so genau anzusehen. Ich versuche, den Blick von den verstreuten Rüstungen, Waffen und Toten abzuwenden. Es ist, als würden auf den Feldern ungeahnte, schreckenerregende Früchte wachsen.
    Überall stoßen wir auf Frauen, die sich – wie Krähen – über die Sterbenden beugen und ihre Jacken nach Geld und Schmuck durchsuchen. Herrenlose Pferde kommen uns wiehernd entgegengetrabt, verschreckt und trostsuchend. Hier und da liegen Edelleute, die vom Pferd gezerrt und am Boden getötet wurden; einer wurde von seiner Rüstung so gut geschützt, dass er darin gestorben ist, das Gesicht im Helm zu Brei geschlagen. Als ein Plünderer an dem Helm zieht, löst sich der Kopf mit ihm, und das matschige Gehirn quillt durch das Visier. Ich umklammere meinen Rosenkranz und bete ein Ave Maria ums andere, um mich im Sattel zu halten und mich nicht übergeben zu müssen. Mein Pferd setzt die Hufe äußerst vorsichtig, als würde es wie ich vor dem Gestank von Blut zurückschrecken und wüsste, dass dies gefährlicher Boden ist. Ich hatte keine Vorstellung, dass es so schlimm sein würde.
    Ich kann nicht glauben, dass es so für Johanna von Orléans war. Ich habe sie immer ganz sauber auf einem weißen Pferd mit ihrem Banner aus Lilien und Engeln über dem Haupt gesehen. Nie habe ich mir vorgestellt, sie reite durch ein Blutbad, obwohl es so gewesen sein muss wie jetzt bei mir. Wenn dies der Wille Gottes ist, so kommt er in seltsamer und furchtbarer Gestalt daher. Ich wusste nicht, dass der Gott der Schlachten so abscheulich ist und eine Heilige solche Höllenpein befehlen kann. Es ist, als ritten wir durchs finstere Tal – wie Vorboten des Todes, denn wir teilen kein Wasser aus, obwohl mir Verwundete flehentlich die Hände entgegenstrecken und auf ihre blutverschmierten, zahnlosen Münder deuten. Wir wagen nicht anzuhalten und einem von ihnen Wasser zu reichen, denn dann würden sie alle über uns herfallen. So läuft der Oberstallmeister mit einer Peitsche voraus und brüllt: «Macht den Weg frei für Lady Margaret Stafford!», worauf die Verwundeten zur Seite schlurfen und die Arme vor den

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