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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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totlacht, während sich die andere Hälfte bekreuzigt, wenn ihr Schatten auf sie fällt. Ich stehe ihr zur Seite, als ihr Schwager George of Clarence im Tower den Tod findet und der Hof in seinen Grundfesten erschüttert wird, da sich das königliche Haus entzweit. Ich halte ihr die Hand, als man ihr die Nachricht von seinem Tod überbringt und sie vermeint, endlich von seiner Feindschaft befreit zu sein. Sie flüstert mir zu: «Gott sei Dank, er ist von uns gegangen.» Während ich denke: Ja, nun, da er nicht mehr unter uns weilt, ist sein Titel, der einmal meinem Sohn gehörte, wieder frei. Vielleicht kann ich sie davon überzeugen, ihn zurückzugeben?
    Als Prinzessin Cecily geboren wurde, ging ich bei der Wöchnerin ein und aus, betete für das Wohlergehen der Königin und das der Neugeborenen. Ich wurde von ihr gebeten, Patin der kleinen Prinzessin zu sein, und schritt mit dem winzigen Mädchen im Arm zum Taufbecken. Ich bin ihr Liebling unter ihren edlen Damen.
    Natürlich erinnerten mich die vielen Entbindungen fast im jährlichen Rhythmus an das Kind, das zu erziehen mir nicht gestattet war. In diesen zehn langen Jahren habe ich einmal im Monat einen Brief von diesem Sohn bekommen, der erst noch ein Junge war und dann zum Jüngling und schließlich zum Mann heranwuchs und die Volljährigkeit erreichte: ein Mann, alt genug, um Anspruch auf die Krone zu erheben.
    Jasper schreibt mir, dass er mir in Hinblick auf Henrys Erziehung treu geblieben ist. Der junge Mann folgt noch immer dem Stundenbuch, wie ich es einst angeordnet habe. Er tjostet, jagt, reitet, er übt sich im Bogenschießen, spielt
Jeu de Paume
und schwimmt – Sportarten, die ihn gesund halten, stählen und auf den Kampf vorbereiten. Jasper gibt ihm Kriegsberichte zu lesen. Kein Veteran darf sie besuchen, ohne dass Jasper dafür sorgt, dass er mit Henry über die Schlachten spricht, in denen er persönlich gekämpft hat, dass sie diskutieren, wie sie hätten gewonnen oder anders geführt werden können. Jasper lässt ihn bei Gelehrten die Geographie Englands studieren, damit er das Land kennenlernt und weiß, wo er einst mit seinen Schiffen landen kann; er studiert Recht und Sitten und die Gebräuche seiner Heimat, damit er ein gerechter König wird, wenn seine Zeit kommt. Niemals beklagt sich Jasper, es sei mühselig, einen jungen Mann im Exil, fern von dem Land, das er vielleicht niemals wiedersehen wird, zu unterrichten und ihn auf Schlachten vorzubereiten, die vielleicht nie geschlagen werden. Doch als König Edward in Anwesenheit seines stattlichen Sohnes, Prince Edward of Wales, mit einem prächtigen Weihnachtsfest im Westminster Palace das einundzwanzigste Jahr seiner Regentschaft begeht, gewinnen wir den Eindruck, dass seine Arbeit zwecklos ist und keine Aussicht auf Erfolg hat, eine Arbeit ohne Zukunft.
    Selbst ich habe in den zehn Jahren meiner Ehe mit Thomas Stanley die Hoffnung für die Sache meines Sohnes verloren. Doch Jasper hält in der fernen Bretagne treu an ihr fest. Was soll er auch tun? Auch ich halte ihr die Treue, denn meine Überzeugung ist unverändert: Auf dem Thron von England muss ein Lancaster sitzen, und mein Sohn ist, abgesehen von meinem Neffen, dem Duke of Buckingham, der einzige Erbe Lancasters, der uns geblieben ist. Doch der Herzog wurde mit einer Woodville verheiratet, insofern ist er an York gebunden, während mein Sohn Henry unserer Sache die Treue hält. Er ist schließlich bis zu seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr mit dieser Hoffnung aufgewachsen, so gering sie auch sein mag. Obschon er jetzt ein ausgewachsener Mann ist, hat er noch nicht die gedankliche Unabhängigkeit, seinem geliebten Vormund Jasper oder mir mitzuteilen, dass unser Traum, der ihn seine Kindheit gekostet hat und ihn noch immer gefangen hält, ausgeträumt ist.
    Doch unmittelbar vor Weihnachten sucht mich mein Gemahl Thomas Stanley in meinem Gemach im Trakt der Königin auf: «Gute Nachrichten. Ich habe Vereinbarungen zur Rückkehr deines Sohnes getroffen.»
    Die heilige Bibel will mir aus den Händen gleiten, ich bekomme sie gerade noch zu fassen, bevor sie mir ganz vom Schoß rutscht. «Dem kann der König doch nicht zugestimmt haben?»
    «Doch!»
    «Nie hätte ich mir träumen lassen, er würde …», stammele ich vor Freude und Erleichterung.
    «Er ist zum Krieg mit Frankreich entschlossen. Er kann deinen Sohn – als seinen Rivalen, als Geisel oder als was auch immer – schlecht säbelrasselnd an der Grenze herumlaufen lassen. Und

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