Der Thron der roten Königin
deswegen gestattet er ihm, nach Hause zurückzukehren. Er bekommt sogar seinen alten Titel zurück. Er wird wieder Earl of Richmond.»
Kaum wage ich zu atmen. «Gedankt sei Gott, dem Herrn», flüstere ich. Mir ist danach, Gott auf den Knien dafür zu danken, dass er dem König so viel Vernunft und Gnade geschenkt hat. «Und seine Ländereien?»
«Als einem Tudor gestattet der König Henry nicht, über Wales zu herrschen, so viel steht fest», sagt Stanley ungerührt. «Aber irgendwas muss er ihm überantworten. Vielleicht könntest du ihm einen Teil deiner Mitgift-Ländereien überschreiben?»
«Er sollte seine eigenen haben», entgegne ich aufgebracht. «Es gibt keinen Grund, meine Ländereien zu teilen. Der König sollte ihm seine eigenen zurückgeben.»
«Er wird ein Mädchen heiraten müssen, das die Königin für ihn aussucht», warnt mich mein Gatte.
«Er wird nicht irgendeine dahergelaufene York nehmen», erwiderte ich gereizt.
«Er wird die Frau heiraten müssen, die sie für ihn aussucht», korrigiert er mich. «Aber sie hat Zuneigung zu dir entwickelt. Warum sprichst du nicht mit ihr darüber, wen du dir zur Schwiegertochter wünschst? Der Junge muss heiraten, aber sie werden ihm nicht gestatten, eine Gemahlin zu wählen, die die Linie der Lancaster stärkt. Es wird eine York sein. Es könnte gar eine der Prinzessinnen sein, es gibt wahrlich genug von ihnen.»
«Kann er sofort kommen?», flüstere ich.
«Nach Weihnachten», antwortet mein Gemahl. «Sie müssen noch ein wenig ermuntert werden, aber die eigentliche Arbeit ist getan. Sie vertrauen dir, sie vertrauen mir, und sie gehen nicht davon aus, dass wir einen Feind ins Königreich einschleppen würden.»
Seit wir das letzte Mal darüber gesprochen haben, ist so viel Zeit vergangen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob er meinen unausgesprochenen Willen noch teilt. «Haben sie denn vergessen, dass er mit ihnen um den Königsthron rivalisieren könnte?», frage ich ihn. Wir sind in meinem Gemach, doch ich flüstere nur.
«Natürlich ist er potenziell ein Thronrivale», sagt er ruhig. «Aber solange König Edward lebt, hat er keine Chance auf den Thron. In ganz England würde niemand einem Fremden gegen Edward folgen. Wenn Edward stirbt, ist Prinz Edward da, und sollte ihm etwas zustoßen, folgt ihm Prinz Richard, geliebte Söhne eines starken, herrschenden Geschlechts. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie dein Henry Anspruch auf einen unbesetzten Thron erheben will. Er müsste dann doch an drei Särgen vorbeigehen. Er müsste den Tod eines großen Königs und zweier königlicher Söhne erleben. Eine unwahrscheinliche Abfolge von Unglücksfällen. Oder hätte er die Stirn, so etwas zu inszenieren? Und du? Hättest du die Stirn?»
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April 1483
Westminster
B is Ostern muss ich noch auf Henry warten, obwohl ich Jasper und ihm sofort geschrieben habe. Sie haben seine Rückkehr vorbereitet, den kleinen Hof von yorkistischen Opportunisten und verzweifelten Männern aufgelöst, der sich um sie geschart hatte, und müssen sich nun das erste Mal seit Henrys Kindheit trennen. Jasper schreibt mir, dass er gar nicht weiß, was er mit sich anfangen soll, wenn er Henry nicht mehr anleitet und berät.
Vielleicht
gehe ich auf Pilgerschaft. Vielleicht ist es an der Zeit, einmal an mich zu denken, an mein Seelenheil. Ich habe nur für unseren Jungen gelebt, und wir waren so lange fern von England, dass ich mich an den Gedanken gewöhnt habe, nie mehr nach Hause zurückzukehren. Jetzt kehrt er zurück – wie es auch sein sollte –, doch ich kann nicht zurückkehren. Ich habe meinen Bruder verloren, meine Heimat, Dich und verliere nun auch noch ihn. Ich freue mich, dass er zu Dir zurückkommen darf, um seinen Platz in der Welt einzunehmen. Aber ich werde im Exil sehr einsam sein. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was ich ohne ihn tun soll.
Ich gehe mit diesem Brief zu meinem Gemahl Stanley, der in seinem Arbeitszimmer vor einem Stapel von Papieren sitzt, die seiner Prüfung harren. «Ich glaube, Jasper Tudor würde sehr gern mit Henry heimkehren», beginne ich vorsichtig.
«Das kann er, aber dann geht er gleich zum Richtblock», erwidert mein Gemahl rundheraus. «Tudor hat die falsche Seite gewählt und vom Sieg bis zur Niederlage an ihr festgehalten. Er hätte wie alle anderen nach Tewkesbury um Gnade ersuchen sollen, aber er ist starrsinnig wie ein Waliser Pony. Ich werde meinen Einfluss nicht nutzen, um ihn zu
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