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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Namen bekommen, die Jungen dänische.
    Es war ein guter Pilzherbst. Während Wayland die Pilze einsammelte, konnte er die gleichmäßigen Axtschläge seines Vaters hören, ein Geräusch, das ihm so vertraut war wie sein eigener Herzschlag. Als der Korb voll war, wollte Edith nach einem Bären suchen. Wayland wusste, dass es in dem Wald keine Bären mehr gab. Sein eigener Großvater hatte den letzten getötet und zum Beweis einen Zahn des Tiers behalten. Wayland war nicht sicher, ob diese Geschichte stimmte, aber er hörte sie gern und bat den alten Mann oft, sie noch einmal zu erzählen. Sein Großvater erzählte noch ganz andere Geschichten, wenn die Mutter nicht in der Nähe war – es waren aufregende, heidnische Berichte über tückische Götter und Ungeheuer und die große Schlacht, die am Ende aller Zeiten stattfinden würde.
    Er entdeckte frische Hirschlosung und begann den Spuren flussaufwärts zu folgen. Der Welpe sprang ihm voraus. Sie konnten hören, wie Wasser durch die Schlucht rauschte. Der Welpe setzte sich, neigte den Kopf zur Seite und lauschte so angestrengt, dass Edith lachen musste. Das Geräusch der Axthiebe war verstummt. Wayland glaubte, einen Schrei gehört zu haben. Er wartete auf einen weiteren Schrei, doch es kam keiner. Der Hund begann zu winseln.
    Wayland setzte seine Schwester unter einen Baum und befahl ihr, nicht wegzugehen, da sie sonst von den Wölfen gefressen würde.
    «Ich habe keine Angst vor den Wölfen. Sie kommen nur im Winter über den Fluss.»
    «Dann eben Trolle. Die Trolle wohnen im Topf.»
    Der Topf war der tiefste See in der Schlucht, ein Kessel mit schwarzem Wasser, der von den Sturzbächen der Felsüberhänge in Unruhe versetzt wurde und über den sich tief die Bäume neigten, deren Wurzeln sich in die Erde krallten wie verkrümmte Finger. Edith richtete ihren Blick durch das moosgrüne Dämmerlicht auf den See. Sie fuhr über das Kreuz an ihrem Hals. «Kann der Hund bei mir bleiben?»
    «Du weißt doch, dass er mir nicht von der Seite weicht. Ich sage dir was. Während ich weg bin, kannst du dir einen Namen für ihn ausdenken.»
    «Ich habe schon einen ausgesucht. Er heißt …»
    «Sag’s mir, wenn ich zurück bin», unterbrach Wayland sie und begann zu rennen.
    Der Welpe hielt es für ein Spiel, hetzte vor ihm her und duckte sich dann, um in einem Scheinangriff wieder aufzuspringen. Wayland überlegte, ob er sich töricht verhielt. Seine Mutter würde ihn ausschelten, weil er Edith kurz vorm Dunkelwerden im Wald allein gelassen hatte.
    Als er näher an die Lichtung kam, hörte er Stimmen und das Klirren von Rüstungen. Er warf sich auf den Boden, packte den Hund am Nacken und robbte durchs Unterholz, bis er die Baumgrenze erreicht hatte.
    Das Geschehen war zu grauenvoll, um es mit einem Blick in sich aufzunehmen. Zwei Soldaten hielten Hilda und seine Mutter vor dem Haus fest. Zwei andere hatten seinen Vater mit dem Gesicht nach unten über den Hackklotz gelegt. Thorkell lag rücklings auf der Erde, sein Gesicht eine blutige Maske. Dann sah Wayland den Reiter am anderen Ende der Lichtung. Er gab seinem Pferd die Sporen und hackte Waylands Vater im Galopp einen Arm halb ab. Mit einem Siegesschrei galoppierte er an das andere Ende der Lichtung, ließ sein Pferd umdrehen und ritt, das Schwert erhoben, wieder zurück. Dieses Mal sah Wayland den Kopf seines Vaters vom Hackklotz rollen. Blut spritzte aus dem Hals.
    Seine Mutter und seine Schwester schrien. Sie schrien immer noch, als einige Männer sie ins Haus zerrten. Dann klangen ihre Schreie erstickt und verstummten schließlich ganz. Eine Weile später kam der Mann, der seinen Vater getötet hatte, mit blutbespritztem Gesicht aus dem Haus. Er nahm einen Wasserkübel und leerte ihn sich über den Kopf aus. Als er auf sein Pferd stieg, schwankte er im Sattel wie ein Betrunkener. Einer nach dem anderen kamen die Männer aus dem Haus und knöpften sich dabei die Hosen zu. Wayland betete, dass auch seine Mutter und seine Schwester herauskommen würden. Bald darauf drang Rauch aus der Haustür. Die Mörder aber zogen immer noch nicht ab. Flammen leckten am Strohdach. Das Feuer loderte auf, und die Normannen lachten und hielten ihre Hände in Richtung des Hauses, wie um sich zu wärmen. Sogar von der Stelle aus, an der Wayland lag, konnte er in sengenden Windstößen die Hitze spüren. Dann ritten die Normannen endlich weg. Einer von ihnen hatte einen toten Hirsch über sein Pferd gelegt. Ein anderer die Hühner an seinen

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