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Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Titel: Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Sullivan
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Vielmehr endete sie an einem trutzigen, hohen Wohngebäude, das Schutz zur Rückseite hin bot. Die Höhe des Wohngebäudes und der breite Graben an seinem Fuß machten es für den König zu einem sicheren Ort.
    Tagsüber zogen Händler mit Karren zur Burgmauer und postierten sich in der Nähe des Tores: eine Zeltstadt vonWarenanbietern, Gauklern und Geldverleihern, die mit den Burgbewohnern ins Geschäft zu kommen suchten. Diese Welle wirtschaftlicher Aktivitäten zog sich bei Sonnenuntergang wieder zurück, da sich die Stadtbewohner zwischen Abend- und Morgendämmerung der Mauer nur bis auf fünfzig Fuß nähern durften. Für die Einhaltung dieser Bestimmung sorgten die königlichen Bogenschützen, die Befehl hatten, auf jeden zu schießen, der sich im Dunkel zu nah heranwagte. Wachen in Kettenhemden und Helmen mit dem Falkenwappen von Melengar patrouillierten paarweise um die Burg. Sie schlenderten lässig dahin, die Daumen in den Schwertgürtel gehakt, und unterhielten sich über die Ereignisse des Tages oder ihre Freizeitpläne.
    Royce und Hadrian beobachteten den Rhythmus der Wachpatrouillen eine Stunde lang, ehe sie zur rückwärtigen Mauer des Wohngebäudes huschten. Tatsächlich hatten schlampige Gärtner ein Geflecht von dickem Efeu auf dem grauen Mauerwerk übersehen. Leider reichten die Ranken nicht bis an die Fenster. Den Wassergraben zu durchschwimmen, war in dieser frostigen Spätherbstnacht ein mühsames Unterfangen gewesen. Der Efeu aber erwies sich als stabil und so leicht zu erklettern wie eine Leiter.
    »Ich weiß jetzt, warum DeWitt es nicht selbst machen wollte«, flüsterte Hadrian Royce zu, während sie an den Efeuranken hingen. »Ich bin von dem Wasser so durchgefroren, dass ich vermutlich in Eissplitter zerschellen würde, wenn ich jetzt runterfiele.«
    »Und stell dir nur mal vor, wie viele Nachtgeschirre hier jeden Tag in den Graben entleert werden«, sagte Royce, während er einen kleinen Metalldorn mit einem Ring am Ende in die Fuge zwischen zwei Mauersteinen trieb.
    Hadrian blickte zu all den Fenstern empor, hinter denener Schlafgemächer vermutete, und verzog angeekelt das Gesicht. »Danke, ich hätte auch ohne diesen Hinweis gut leben können.« Er zog ein Gurtgeschirr aus seinem Tornister und klinkte es in den Ring ein.
    »Versuch einfach nicht an die Kälte zu denken«, sagte Royce und trieb den nächsten Dorn in die Mauer.
    Der Aufstieg verlangte zwar Mühe und Konzentration, ging aber überraschend schnell, und sie erreichten das unterste Fenster, noch ehe die Wachen ihre Runde beendet hatten. Der Fensterladen war wie versprochen nicht verriegelt. Royce zog ihn vorsichtig einen winzigen Spalt auf und spähte hinein. Dann kletterte er durchs Fenster und winkte Hadrian, ihm zu folgen.
    Ein schmales Bett mit einem burgunderroten Himmel ragte ins Zimmer. Daneben stand eine Kommode mit einer Waschschüssel. Das einzig weitere Möbelstück war ein schlichter Holzstuhl. Den größten Teil der gegenüberliegenden Wand bedeckte ein eher bescheidener Wandteppich mit Hunden, die einen Hirsch stellten. Alles war auf eine kalte Art sauber und ordentlich. An der Tür standen keine Schuhe, über dem Stuhl lag kein Mantel, und das Bettzeug war unzerknittert. Dieses Zimmer war ganz offensichtlich unbenutzt.
    Während Royce zur Tür schlich, wartete Hadrian wortlos am Fenster. Er beobachtete, wie die Füße des Diebs den Boden bei jedem Schritt zunächst testeten. Royce hatte ihm erzählt, wie er einmal bei der Arbeit auf einem Dachboden auf ein morsches Bodenbrett getreten und durch die Decke ins darunterliegende Schlafzimmer gekracht war. Dies hier war ein Steinboden, aber auch Stein konnte instabil sein oder versteckte Fallen oder Alarmvorrichtungen enthalten. Royce gelangte ohne Zwischenfälle zur Tür und legte das Ohr daran. Er machte eine Geste für »Gehen« und zählte dann an denFingern eine Zahl ab. Nach erneutem kurzem Horchen wiederholte er das Zeichen. Hadrian schlich zu ihm, und lautlos warteten sie mehrere Minuten.
    Schließlich drückte Royce mit der behandschuhten Hand die Klinke, öffnete die Tür aber nicht. Gleich darauf hörte auch Hadrian draußen schwere Schritte auf Stein – zuerst ein Paar Stiefel, dann ein zweites. Als die Schritte verhallt waren, öffnete Royce die Tür einen Spalt und spähte hinaus. Der Gang war leer.
    Sie schauten in einen schmalen Durchgang. In Wandhaltern, die in großen Abständen plaziert waren, brannten Fackeln; das flackernde Licht malte

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