Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
wurden klein und krüppelig und wichen dann niederem Gestrüpp; anstelle von Erde herrschte jetzt bemoostes Gestein vor. Endlich erreichten sie die Winde-Abtei.
Der Himmel hatte sich zugezogen, der Mond war nicht mehr zu sehen. Sie konnten kaum mehr erkennen als die Eingangstreppe und das Licht, an dem sie sich orientiert hatten. Sie saßen ab und gingen zum Eingang. Über den Stufen, die in den Fels des Berges selbst gehauen waren, befand sich ein offener Torbogen in der Wand eines länglichen Bauwerks mit einem Giebeldach.
Hier waren weder Grillen noch Eulen zu hören, nur der unbarmherzige Wind durchbrach die Stille.
»Hallo?«, rief Hadrian. Nach einigem Abwarten rief er ein zweites Mal. Er setzte gerade zum dritten Versuch an, als sich drinnen ein Licht bewegte. Wie ein schwach leuchtendes Glühwürmchen in einem unsichtbaren Wald verschwand es hinter Säulen und Wänden und kam dann wieder zum Vorschein, jedes Mal ein Stück näher. Schließlich erkannte Hadrian, dass das seltsame Irrlicht ein kleiner Mann in einer verschlissenen Kutte war, der eine Laterne in der Hand hielt.
»Wer ist da?«, fragte er mit leiser, schüchterner Stimme.
»Reisende«, antwortete Royce. »Frierende, müde Männer, die auf ein Plätzchen zum Ausruhen hoffen.«
»Wie viele seid ihr?« Der Mann streckte den Kopf heraus und leuchtete mit der Laterne umher. »Nur ihr drei?«
»Ja«, antwortete Hadrian. »Wir sind schon den ganzen Tag ohne Proviant unterwegs. Wir haben gehofft, die legendäre Gastfreundschaft der Maribor-Mönche in Anspruch nehmen zu dürfen. Habt Ihr Platz für uns?«
Nach einigem Zögern sagte der Mönch: »I-ich denke schon.« Er trat zurück, um sie einzulassen. »Kommt herein, ihr könnt –«
»Wir haben Pferde«, unterbrach ihn Hadrian.
»Wirklich? Wie aufregend!« Der Mönch klang tief beeindruckt. »Oh, ich würde sie so gern sehen, aber es ist schon sehr spät und –«
»Nein, ich meinte nur, ob es hier irgendwas gibt, wo wir sie über Nacht unterstellen können. Eine Scheune vielleicht oder einen Schuppen?«
»Oh, verstehe.« Der Mönch klopfte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe. »Tja, wir hatten einen schönen Stall, hauptsächlich für Kühe, Schafe und Ziegen, aber da geht es heute Nacht nicht. Und wir hatten auch einen Schweinekoben, aber den kann ich euch auch nicht anbieten.«
»Wir können sie ja einfach draußen irgendwo anbinden, wenn Euch das recht ist«, sagte Hadrian. »Ich glaube, ich habe da ein, zwei kleine Bäume gesehen.«
Der Mönch nickte, offensichtlich erleichtert, dass das Problem gelöst war. Nachdem sie die Sättel auf der obersten Stufe gestapelt hatten, folgten sie dem kleinen Mann durch den Torbogen in etwas, das wie ein großer Innenhof aussah.
Mit der schwächlichen Laterne des Mönchs als einziger Lichtquelle konnte Hadrian nicht viel sehen, und er war auch zu müde für einen Besichtigungsrundgang, selbst wenn der Mönch sich erboten hätte, ihnen sein Zuhause zu zeigen. Das Kloster erfüllte ein starker Rauchgeruch, der Visionen vonprasselndem Kaminfeuer und warmen Schlafstätten weckte.
»Wir wollten Euch nicht wecken«, sagte Hadrian freundlich.
»Ach, habt ihr nicht«, sagte der Mönch. »Ich schlafe nicht viel. Ich saß an einem Buch und war gerade mitten im Satz, als ich euch hörte. Hab mich ganz schön erschreckt. Hier oben hört man schon am helllichten Tag kaum je jemanden und schon gar nicht in finsterer Nacht.«
Freistehende Steinsäulen ragten in den bewölkten Himmel, und diverse nur als schwarze Silhouetten erkennbare Statuen bevölkerten den Hof. Der Rauchgeruch war jetzt noch stärker, doch das einzig Brennende schien die Laterne des Mönchs zu sein. Sie kamen an eine schmale Steintreppe, und er führte sie in einen roh in den Fels gehauenen Keller hinab.
»Hier könnt ihr bleiben«, erklärte der Mönch.
Sie starrten in das winzige Gelass, das Hadrian ungefähr so gastlich erschien wie die Kerkerzellen von Schloss Essendon. Es war vollgepfropft mit ordentlich aufgebeugtem Holz, Reisigbündeln, zwei Holzfässern, einem Nachtgeschirr, einem kleinen Tisch und einem schmalen Bett. Einen Moment lang sagte niemand etwas.
»Ist nicht großartig, ich weiß«, sagte der Mönch bedauernd, »aber im Moment kann ich euch nicht mehr bieten.«
»Wir kommen schon zurecht, danke«, beruhigte ihn Hadrian. Er war so müde, dass ihm alles egal war, solange er sich nur an einem windstillen Plätzchen ausstrecken konnte. »Hättet Ihr
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